Sondierungsinhalte der GroKo: „Rote Inhalte“ - aber verdünnt
Wer sich wo bei den Sondierungsgesprächen durchsetzen konnte.
Berlin. „Möglichst viele rote Inhalte“ wollte die SPD in den Sondierungen mit der Union für eine Neuauflage der großen Koalition durchsetzen. Ob das berühmte Glas aber nun halbvoll oder halbleer ist, darüber lässt trefflich streiten.
Wirkliche „Trophäen“ wie in der letzten Wahlperiode etwa den Mindestlohn haben die Genossen eher nicht bekommen. Ihre vehement geforderte Bürgerversicherung wird es genauso wenig geben wie eine Anhebung des Spitzensteuersatzes. Und auch das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich verschwindet nicht völlig aus dem Grundgesetz. Grundsätzlich können sich die Bürger aber auf einige Entlastungen freuen. Und wie schon in den letzten vier Jahren wird auch die gesetzliche Rente weiter ausgebaut.
So werden laut dem Sondierungsergebnis Erwerbsgeminderte durch eine beschleunigte Anhebung der Zurechnungszeiten künftig besser abgesichert. Außerdem soll es eine so gennannte Lebensleistungsrente für langjährig Versicherte (35 Versicherungsjahre) geben, die um zehn Prozent über der Grundsicherung am jeweiligen Wohnort liegt. Das setzt aber eine individuelle Bedürftigkeitsprüfung voraus. Schon der letzte Koalitionsvertrag von Union und SPD sah übrigens eine Lebensleistungsrente vor. Sie scheiterte aber am Streit um die Details.
Eine weitere Verabredung, die die SPD auf der Habenseite verbucht, ist die Festschreibung eines Rentenniveaus von mindestens 48 Prozent des jeweiligen gesellschaftlichen Durchschnittlohns bis 2025. Nach dem jüngsten Rentenbericht der Bundesregierung wird dies aber ohnehin erwartet. Gegenwärtig liegt das Niveau bei 48,2 Prozent. Nach der ursprünglichen SPD- Forderung sollte das Mindestniveau von 48 Prozent allerdings länger Bestand haben, nämlich bis zum Jahr 2030. Bei der Mütterente kann die CSU einen Teilerfolg verbuchen. Ältere Mütter, deren Kinder vor 1992 zur Welt kamen werden mit Müttern von danach geborenen Kindern bei der Rente gleichgestellt. Allerdings nur dann, wenn sie vor 1992 drei und mehr Kinder geboren haben.
Was die Sozialabgaben anbelangt, so sollen sie laut Beschlusspapier auch künftig nicht mehr als 40 Prozent betragen. Dank üppiger Reserven bei der Bundesagentur für Arbeit soll der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von drei auf 2,7 Prozent sinken. Hier hat sich die Union klar durchgesetzt. Von Sozialbeträgen entlasten will man darüber hinaus speziell die Geringverdiener, indem die Einkommensgrenze bei so genannten Midi-Jobs angehoben wird. Nach ihrem verlorenen Kampf um die Bürgerversicherung bleibt den Genossen immerhin noch der Trost, dass sie der Union die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung des Krankenkassenbeitrags abringen konnte. Das bedeutet, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber künftig auch den Zusatzbeitrag teilen. Bislang wird er allein von den Versicherten finanziert.
Auch mit ihrem noch in der letzten Wahlperiode vergeblich geforderten Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeitarbeit konnte sich die SPD durchsetzen. Der Anspruch soll aber grundsätzlich nur in Betrieben ab 45 Miterbeitern gelten. Und in Unternehmen bis zu 200 Beschäftigten in eingeschränkter Form. Darauf hatte die Union im Interesse der Wirtschaft gedrängt. Ursprünglich wollte die SPD das Rückehrrecht schon in Betrieben ab 15 Mitarbeitern durchsetzen.
Einen weiteren Erfolg kann die Union beim Kindergeld verbuchen. Es wird wie von ihr gefordert um 25 Euro erhöht. Und zwar in zwei Schritten zwischen 2019 und 2021. Auch in der Steuerdebatte haben sich CSU und CDU durchgesetzt. „Wir werden die Steuerbelastung der Bürger nicht erhöhen“, heißt es klipp und klar im Beschlusspapier. Damit ist die Anhebung der Einkommensteuer für sehr hohe Löhne vom Tisch. Zugleich wird der Solidaritätszuschlag schrittweise gesenkt, wobei er für 90 Prozent der Soli-Zahler bis 2021 komplett auf Null sinken soll. Nur die Besser- und Spitzenverdiener würden dann noch den Soli zahlen. Auf diese Lösung hatte die SPD gepocht.
Im Bildungsbereich will man einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter schaffen. Unter anderem dazu soll das so genannte Kooperationsverbot, wonach der Bund keinen Einfluss auf die Finanzierung von Bildungseinrichtungen unter der Regie der Länder haben darf, gelockert werden.
Schließlich einigten sich Union und SPD auch in der hoch umstrittenen Flüchtlingsfrage. Von „Obergrenze“ ist zwar keine Rede. Allerdings wird eine Belastungsgrenze „von jährlich 180.000 bis 220.000“ Personen genannt. Diese Passage trägt die Handschrift der Union. Das gilt auch beim Familiennachzug von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus. Maximal 1000 Angehörige pro Monat sollen nachziehen dürfen. Bis zu einer entsprechenden Neuregelung bleibt die Aussetzung des Nachzugs in Kraft. Damit ist der Familiennachzug auch über den Monat März hinaus ausgesetzt. Ursprünglich sollte er dann wieder in Kraft treten. Im Gegenzug hat die SPD aber auch ihr Fachkräfte-Zuwanderungs-Gesetz bekommen.