Bundestagswahl 2017 SPD: Kreativer, jünger und systematisch zum Wähler hin
Wahlkampfzentralen und ihre Macher - Bei der SPD sollen Person, Programm und Performance übereinstimmen
Berlin. Diesen Wahlkampf geht die SPD systematisch an. „Person, Programm und Performance müssen übereinstimmen“, sagt Juliane Seifert. Die 39-Jährige ist Bundesgeschäftsführerin und neben Generalsekretär Hubertus Heil Chefin der „Kampa“ genannten Wahlkampfzentrale im Willy-Brandt-Haus in Berlin. Zwei Etagen, sehr modern eingerichtet.
Rund hundert Leute arbeiten hier, überall gibt es kleine Beratungsinseln für Teams, die sich kurzfristig bilden können. Und überall Martin Schulz. Als Foto im Warhol-Stil, als Pappkamerad, als Plakat: „Jetzt ist Schulz!“
Seiferts Satz ist auch eine Anspielung auf den letzten Wahlkampf mit Peer Steinbrück, der ein Programm vorfand, das nicht zu ihm passte. Und dann hakte auch die Performance. An diesen Problemen leidet die Schulz-Kampagne nicht. Schon der erste Auftritt Ende Januar war eine vorbereitete Inszenierung. Viel Parteivolk, eine Atmosphäre wie in einer Bürgerversammlung. Der Parteitag im Juni in Dortmund mit 6000 Teilnehmern verlief ähnlich. Und so will Schulz den Wählern auch in der Schlussphase kommen, „sehr nah“, wie es heißt.
Mitte August beginnt die „Kandidaten-Tour“ durch viele Städte. In der „Kampa“ wird sie derzeit geplant. Hinter den Mitarbeitern befindet sich eine Deutschlandkarte mit vielen Stecknadeln. Natürlich wird es auch Großplakate in der Schlussphase geben und Fernsehspots. Immer mit Martin Schulz, immer mit dem Slogan „Zeit für mehr Gerechtigkeit“, der auf einem satten roten Quadrat steht.
Die Hamburger Agentur KNSK zeichnet dafür verantwortlich, sie hat schon den letzten Europawahlkampf mit Schulz gemacht. 24 Millionen Euro lässt sich die SPD den Bundestagswahlkampf kosten. Das ist ungefähr so viel wie 2013 und entspricht etwa dem Wahlkampfetat von CDU und CSU zusammen.
Im Zentrum steht diesmal aber der Tür-zu-Tür-Wahlkampf. Die SPD versucht damit ihre große Stärke auszuspielen, nämlich dass sie eine Volkspartei mit 440 000 Mitgliedern ist. Und auch das wurde systematisch vorbereitet. Schon seit längerem hat man interne Kommunikationsplattformen aufgebaut, regelmäßig mit den regionalen Wahlkampfmanagern beraten und Schulungen durchgeführt.
Wichtigstes Instrument ist der „Mobilisierungsplaner“, ein Datensatz, der Deutschland in 88 000 Quartiere von maximal rund 2000 Menschen aufteilt und sehr genau sagt, welche soziale Struktur dort herrscht und wie dort bisher gewählt wurde. Bereits vor eineinhalb Jahren begann man in der Parteizentrale damit, diese öffentlich zugänglichen Daten aufzubereiten.
Die Hausbesuche sollen gezielt dort vorgenommen werden, wo das Zuwachspotential für die SPD am größten ist. Andere Gebiete bleiben weitgehend links liegen. Und dann wird zweistufig vorgegangen. Die Parteiaktivisten fragen die Leute im ersten Schritt, welche Themen sie besonders interessieren und ob sie sich vorstellen können, SPD zu wählen. Man gibt sich mehr als Zuhörer denn als Missionar. „Diese Besuche erden uns auch“, sagt Seifert. „Die bringen uns raus aus der Politikblase.“
Die Reaktionen der Bürger seien fast ausnahmslos positiv. Die Antworten werden über eine App, die jeder SPD-Wahlkämpfer auf seinem Handy hat, anonym gespeichert und zentral ausgewertet. In einem zweiten Schritt wird dann im betreffenden Quartier geworben; zum Beispiel mit Informationen zur Familienpolitik, wenn die dort als wichtigstes Thema genannt wurde. Selbst die Großplakate werden entsprechend gestellt.
Es ist alles ein wenig kreativer und jünger geworden bei der SPD. Die Jusos touren gegenwärtig über die Open-Air-Festivals. „Denen wird das Material aus der Hand gerissen“, sagt Seifert, die in diesem Wahlkampf eine „starke Politisierung“ spürt. Wegen Brexit, Trump, AfD. „Die Leute wollen Haltung zeigen, sich engagieren.“ Obwohl der Schulz-Hype lange verebbt ist, seien die Mitglieder noch immer motiviert.
„Wir sehen da überhaupt keinen Einbruch“, sagt Seifert. Im Frühjahr lud man Computerfreaks zum „Hackerton“ in die „Kampa“, einem Programmier-Marathon. 400 bewarben sich. 100 Ausgewählte tüftelten dann 24 Stunden lang ehrenamtlich an Ideen für die Kampagne. Das Marathon-Ergebnis kann sich sehen lassen: Heraus kam unter anderem eine leicht nutzbare Bilderdatenbank für die Ortsvereine.