NRW Schweine-Skandal: Ministerin Schulze Föcking lehnt Rücktritt ab
In der so genannten Schweine-Affäre hofft die frischgebackene Landwirtschaftsministerin (CDU) am Ende der Untersuchungen unbeschadet zu sein. Die Opposition übt Kritik.
Rösrath. Es regnet im Wald von Rösrath. Wenn die dicken Tropfen auf das Blätterwerk fallen, ist es besonders laut. So geräuschvoll, dass man schon nahe heranrücken muss an die Ministerin, um hören zu können, was sie zu sagen hat. Zum Zustand des Waldes in Nordrhein-Westfalen etwa an diesem Tag, an dem sich die 40 Jahre alte NRW-Ministerin für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz über die Waldbestandserhebung von Forstdirektor Lutz Falkenried informiert. Oder zum vermeintlichen Schweine-Skandal auf dem heimischen Hof der Schulze Föckings in Steinfurt, der seit fast zwei Wochen mit dem Start in das Amt an der Ministerin klebt, als sei er das Harz der Bäume, die sie jetzt besichtigt.
Schulze Föcking weiß, dass alle von ihr ein klares Wort erwarten. Mehr als diese zwei Sätze, in denen sie vor Tagen auf die Stellungnahme des Familienbetriebs verwiesen hat, dessen Miteigentümerin sie bis Anfang Juli dieses Jahres noch war, wie Gatte Frank Schulze Föcking unlängst auswies. „Ob sie einen Grund für einen Rücktritt sehe, wird sie gefragt. Sie sagt: „Ich stehe hier, ich liebe meinen Job und gehe meine Arbeit mit vollem Herzen an.“
Sie lächelt dabei strahlend, die Bilder einer jungen, verunsicherten Ministerin sollen diesen Wald nicht verlassen. Die Sätze unter dem Zeltdach kommen vorbereitet über ihre Lippen. Sie danke allen, die zur Versachlichung der Debatte beigetragen hätten. Tierschutz sei ihr in ihrer politischen Arbeit wichtig, als Landwirtin sei das genauso gewesen. Sie könne zwar verstehen, dass es Fragen gebe. Aber: „Vom Betrieb gibt es eine umfangreiche Stellungnahme, und es gibt ein Statement der Behörde, die für den Tierschutz im Kreis zuständig ist.“ Damit, findet sie, „ist alles in diesem Bereich gesagt“. Ob sie Anzeige wegen des Einbruchs gestellt habe? „Noch nicht. Wir warten die Untersuchungen noch ab.“
Die Hauptfragen: Sind die wohl Anfang März und Mitte Juni dieses Jahres heimlich aufgenommene Videos verletzter Schweine mit abgebissenen Schwänzen vom Familienbetrieb Schulze Föcking übliche Bilder aus der konventionellen Massentierhaltung oder zeugen stark entzündete Wunden siechender Tiere in jedem Fall von Tierquälerei? Die „Albert-Schweitzer-Stiftung für unsere Mitwelt“ hat deshalb Strafanzeige gegen die Ministerin gestellt.
Eine weitere Frage ist hinzugekommen: Muss eine Ministerin nicht offensiver ihre Verantwortung benennen, um ihrer Thematik gerecht zu werden und Schaden vom Amt und einer neuen Landesregierung zu nehmen? Schulze Föcking sagt dazu: „Das ist der Betrieb der Familie und mein Mann hat die Bestandsbetreuung gemeinsam mit einer Tierärztin gemacht.“ Seit 2015 sei sie selbst nicht mehr für die Bestandsbetreuung zuständig gewesen. Tatsache ist: Zur Zeit der illegal hergestellten Aufnahmen war sie noch Betriebsleiterin des Hofs mit 50-Prozent-Beteiligung.
Die Opposition hat begonnen, die staatlich geprüfte Landwirtin anzuzählen. „Seit nunmehr zwölf Tagen schweigt Frau Schulze Föcking zu den schweren tierschutzrechtlichen Vorwürfen“, sagt Mona Neubaur, Landesvorsitzende der NRW-Grünen. „Sie bekleidet ein öffentliches Amt, das zur Kommunikation verpflichtet. Sich nur zu genehmen Themen zu äußern, bei unangenehmen aber abzutauchen, ist einer Ministerin unwürdig. Es drängt sich der Verdacht auf, sie hätte etwas zu verbergen.“
Und André Stinka. umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, sieht Schulze Föcking „nahe vor einem Rücktritt“. Stinka kommt aus Coesfeld, das liegt nicht fern der Heimat von Schulze Föcking. Er kenne die Landwirte dort, sagt Stinka. Ihn stört, dass die Ministerin ein „Uraltbild der Landwirtschaft“ verkörpere und junge Landwirte vor den Kopf stoße, die für offene Kommunikation stünden. „Wir leben von einem aufgeklärten Verbraucherschutz. Die Ministerin schadet ihrem eigenen Stand. Das ist Landwirtschaft der 70er Jahre“, sagt Stinka. „Sie ist schwach und wird nicht mehr ernst genommen.“
Auch hegt die Opposition Zweifel am Steinfurter Kreisveterinär Christoph Brundiers, der Schulze Föcking wiederholt zur Seite springe und Nähe zur Ministerin habe, heißt es. Ministerpräsident Armin Laschet wies Rücktrittsforderungen derweil zuletzt zurück, er halte die Erklärungen des Ehemannes Frank Schulze Föcking für überzeugend, sagte Laschet in einem Interview. An dieser Haltung habe sich laut Regierungssprecher Christian Wiermer nichts geändert.
Unter dem Motto „#wirstehenhinterChristina“ solidarisieren sich viele Bauern bei Twitter mit Christina Schulze Föcking, die für konventionelle Landwirtschaft wie kaum eine andere steht. Das liegt auch daran, dass Einbrüche der Tierschützer in Mastbetriebe an der Tagesordnung sind. „Eine Krise mit Ansage“ nannte die „Welt“ deshalb die jüngeren Regierungstage in NRW. Die Prüfung der Staatsanwaltschaft Münster läuft, als sehr wahrscheinlich gilt eine Verfahrenseröffnung gegen Schulze Föcking aber nicht.
Als der Waldtermin beendet ist, dankt die Ministerin den Forstleuten und bezeichnet den Regen als „Geschenk für den Wald“. Man kann die Dinge eben immer von mehreren Perspektiven aus betrachten.