Landtagswahl in NRW 2017 Woran die SPD-Strategie gescheitert ist

Hannelore Krafts Wahlkampf-Stratege nennt fünf Gründe, warum die Wiederwahl scheiterte. Die wahrscheinlichste Erklärung ist simpler.

Foto: dpa

Düsseldorf. Am Ende des Wahlabends klingelte bei Frank Stauss das Telefon. Am anderen Ende: Die Ministerpräsidentin, die gerade die schlimmste politische Niederlage ihres Lebens eingeräumt hatte und als Vorsitzende der NRW-SPD sowie als Vize-Vorsitzende der Bundespartei vor laufender Kamera zurückgetreten war.

Hannelore Kraft rief an, um dem Team Trost zu spenden. „Es fehlten mir die Worte, was selten genug vorkommt“, so der legendäre SPD-Wahlkämpfer (3 x Kraft und Wowereit, 2 x Beck und Scholz, je 1 x Schröder, Steinmeier und Dreyer) in seinem lesenswerten Blogbeitrag „Auffe Achterbahn“ mit fünf Beobachtungen im Wahljahr 2017 (siehe: frank-stauss.de).

Erstens sei NRW ein „Battleground-State“, ein politisches Schlachtfeld seit 20 Jahren. Stauss These: NRW sei weder „Stammland“ noch „Herzkammer“ der SPD, diese Vorstellung gehöre endgültig in die Geschichtsbücher: „NRW wählte in den 70 Jahren Bundesrepublik die ersten 20 Jahre CDU, dann 30 Jahre SPD und nun schon 20 Jahre wechselhaft.“

Zweitens hätten die CDU-Gewinner 2017 von den CDU-Verlierern 2016 gelernt: „Wer nach rechts rückt, verliert.“ Drittens erklärten sich die großen Schwankungen der Stimmung zum Ende des Wahlkampfs hin (wie auch im Saarland und in Schleswig-Holstein) so: „Das Grundgefühl — so muss man es wohl zusammenfassen — lautete: Irgendwie läuft das hier nicht wirklich gut. Probieren wir es mal mit dem netten Onkel, viel kaputtmachen wird er nicht.“

Zum Bundestrend behauptet Stauss viertens, die „Neuordnung der SPD-Parteispitze“ habe „wenn überhaupt, dann nur geringe Auswirkungen auf die drei Landtagswahlen 2017“ gehabt, weil die Leute sich auf ihr Bundesland konzentrierten. Was uns das fünftens für die Bundestagswahl sage? Nichts sei sicher! Und: „Man darf sich einfach nie zu sicher fühlen.“

Das ist eine schöne Geschichte, wie Frank Stauss immer schöne Geschichten erzählt. Zutreffender erscheint die Analyse, die die „Berliner Morgenpost“ drei Tage vor der Wahl veröffentlichte und einen Machtwechsel am Rhein witterte: „Hannelore Kraft setzt in Nordrhein-Westfalen ebenso wie Albig in Schleswig-Holstein voll auf einen Wohlfühl-Wahlkampf. ,NRWir’ sind die Plakate betitelt. Sie zeigen kletternde Kinder, glückliche Rentner, grüne Wiesen oder eine Schreibtischkraft mit Mops auf dem Schoß und Förderturm im Fensterausblick.

Und immer wieder die fröhliche Landesmutter Kraft. Das Konzept der Agentur .Butter’ des bekannten Wahlkampf-Experten Frank Stauss wird in der NRW-SPD längst kritisch hinterfragt. Denn die CDU von Armin Laschet hat mit einer aggressiven Abwahl-Kampagne („Uns reicht’s“) geantwortet und thematisiert schlagwortartig die durchwachsene Regierungsbilanz.“

Das ist alles nicht falsch. Einen Grundfehler Krafts, der ihre Chancen von Anfang an massiv trübte, hätte keine Kampagne ausbügeln können: ihre persönliche Provinzialisierung des wichtigsten Bundeslandes. Spätestens mit der kalten Entmachtung Kurt Becks als SPD-Chef 2008 am Schwielowsee begann Krafts tiefe und innige Abneigung gegen den Berliner Politikbetrieb.

Ihre späteren offenen Bekenntnisse, niemals nach Berlin gehen und niemals Kanzlerkandidatin werden zu wollen, mögen zunächst bodenständig, redlich und heimatverbunden geklungen haben. Besser hätte Kraft sich selbst mit den Worten ermahnt, mit denen sie Sigmar Gabriel vor seiner Entscheidung zugunsten von Martin Schulz mahnte, sich selbst zu prüfen: „Du musst es wirklich wollen.“ Und „es“ bedeutet, bei sich selbst jederzeitige Kampfbereitschaft und Konfliktfähigkeit abrufen zu können, um die Ansprüche Nordrhein-Westfalens selbstbewusst in Berlin durchzusetzen. Das war nicht ihr Ding.