Zu Besuch bei den springenden Krokodilen
Northern Territory. Zurück in Darwin, wo das Abenteuer Australien für mich vor fast drei Monaten begonnen hat. Ich esse wieder Schokokuchen und Pizza, trinke im Pub Bier aus einem richtigen Glas statt aus einer Dose.
Die Milch wird nicht aus Pulver gemacht und an meinen Füßen klebt kaum noch roter Staub. Ich sehe fast aus wie ein ganz normaler deutscher Backpacker. Bin ich aber nicht, ich bin Jillaroo im Urlaub. Trotzdem, ich fand, es sei an der Zeit, etwas absolut Touristisches zu unternehmen. Also habe ich mich für eine Jumping Croc Tour angemeldet.
Von den Krokodilen in Australien hört man ja immer wieder auch bei uns - niemals allerdings von australischer Politik, wo ich jetzt so darüber nachdenke. Es gibt die kleinen Frischwasserkrokodile, genannt "Freshies", die sich auch in den Creeks auf unserer Cattle Station überall herumtreiben. Sie sind allerdings nicht sehr groß und scheu. Für Horrorgeschichten sorgen die "Salties", die riesigen Salzwasserkrokodile, die mehrere Meter lang werden und regelmäßig Menschen das Leben kosten - auch weil sie trotz ihres Namens eben gar nicht nur im salzigen Ozean, sondern in sämtlichen Frischwasserflüssen zu finden sind. Und die sollen wir jetzt springen sehen.
Fahrer Fred holt mich und zwei Deutsche, Barbara und Tadeus, die ich im Hostel kennen gelernt habe, in Darwin ab. Dann geht es zunächst zum "Window on the Wetlands", einem Aussichtspunkt mit Blick über die Ebenen des Top End, wie die Australier ihren nördlichsten Zipfel um Darwin nennen. Am Horizont sehen wir weiße Rauchsäulen von Buschfeuern - eine beängstigende Vorschau auf das, was mir bald auf der Cattle Station drohen könnte. Es klingt seltsam nach drei Monaten im endlosen Busch da draußen, aber immer noch überrascht und überwältigt mich die Weite dieses Landes und seine Leere. Im ganzen Northern Territory, etwa viermal so groß wie Deutschland, leben nicht einmal halb so viele Menschen wie in meiner Heimatstadt Düsseldorf. Nicht mal annähernd halb so viele. Es ist verrückt.
Dann fahren wir zur Anlegestelle am Adelaide River. Als kleines Schmankerl dürfen wir alle einen Python um den Hals legen. "Das ist ein Schwarzkopfpython, richtig?", frage ich Fred und er nickt überrascht. Diese Art kenne ich, seit einer der Jackaroos eine solche Schlange in unserem Camp auf der Station gesichtet hat. Der Schwarzkopfpython ist eine der wenigen Schlangen, die giftige Artgenossen verschlingt - seither gebe ich mich der beruhigenden Hoffnung hin, dass er all die Braun- und Tigerschlangen rund um mein Bettchen vertilgt hat.
Als das Boot ablegt, dauert es ganze 30 Sekunden, bis ich am Ufer des Flusses das erste Saltie entdecke. Und nur einige Minuten später schwimmt zum ersten Mal eine Reihe dunkler Zacken auf uns zu. Es ist eine gespenstische Szene, wie aus dem Film "Jurassic Park". Und so verkehrt ist das Bild ja auch gar nicht. Immerhin überleben Krokodile auf diesem Planeten schon seit Millionen Jahren. Vermutlich machen sie mir deshalb so viel Angst: Sie haben einfach mehr Erfahrung als ich.
Die jungen Helferinnen des Bootskapitäns Peter befestigen Fleischbrocken an langen Angeln und tunken sie mehrmals ins brackige Wasser. Das massige, mehr als vier Meter lange Krokodil gleitet langsam heran. Der riesige Kopf hebt sich aus dem Wasser und das Maul mit den spitzen Zahnreihen öffnet sich. Mit einer Schnelligkeit und Eleganz, die man dem Giganten niemals zutrauen würde, schnellt das Krokodil senkrecht aus dem Wasser und schnappt nach seiner Beute. Der Anblick ist atemberaubend.
Mehrere Krokos lässt die Crew der Spectacular Jumping Croc Tour noch für uns springen, bevor wir den Rückweg antreten. Da meldet sich Peter über sein Mikrofon: "Dort links am Ufer sehen Sie ein winziges Stück eines wirklich riesigen Krokodils." Tatsächlich ist etwa ein Meter zackigen Rückens im seichten Wasser zu erspähen. Es ist Hannibal, der Kannibale. So genannt, weil sein mörderischer Hunger selbst vor anderen Krokodilen nicht haltmacht. Mehr als sechs Meter misst Hannibal. "Er war sehr krank in den vergangenen Jahren", erklärt Peter. "Es tut gut, ihn zu sehen" Ich bin froh, dass wir Hannibal an diesem Tag nicht springen sehen - mehr als sechs Meter, das klingt einfach zu fantastisch, zu gefährlich. Aber auch ich bin froh, dass er da ist und dass es ihm gut geht. Dass seine Art hier im Adelaide River noch so gedeiht, dass man kaum spucken kann, ohne einen von ihnen zu treffen. So lange ich in einem Boot sitze. In einem großen.