Krampf statt Glanz - Neid: „Nicht so federleicht“

Frankfurt/Main (dpa) - Kampf und Krampf statt Glanz und Gloria - nach dem vorzeitigen Viertelfinaleinzug haben die deutschen Fußball-Frauen bei der Heim-WM die Suche nach den Ursachen für die wenig berauschenden Darbietungen begonnen.

„Auf mich wirkten die Spielerinnen sehr gehemmt. Es war nicht so federleicht wie in den Spielen davor. Vielleicht ist die Belastung doch zu groß gewesen, weil man unbedingt in die nächste Runde einziehen wollte“, mutmaßte Bundestrainerin Silvia Neid nach dem mühevollen und glücklichen 1:0 (0:0)-Sieg gegen Nigeria in Frankfurt.

Dank des erlösenden Treffers von Simone Laudehr (54.) kann der zweimalige Weltmeister zwar mit einem Erfolg am Dienstag in Mönchengladbach über den punktgleichen Tabellenführer Frankreich noch den Gruppensieg schaffen. Doch dass die DFB-Elf gegen den rustikal und teilweise überhart einsteigenden Afrikameister keine spielerischen Mittel fand, gibt zu denken. „Ich glaube, es hängt mit dem Kopf zusammen und den hohen Erwartungen. Ich werde sehr viele Einzelgespräche führen“, kündigte Neid an.

Erste Kandidatin für eine Unterredung unter vier Augen ist Birgit Prinz, um deren Rolle und Wert für das Team eine öffentliche Debatte entbrannt ist. Die Trainerin holte die 33 Jahre alte Fußball-Ikone schon in der 52. Minute vom Feld, weil sie keinen Zweikampf und kein Laufduell gewann. Völlig frustriert und sauer stapfte Prinz vom Rasen. „Glücklich war ich nicht, aber das ist man auch nicht, wenn man nach 50 Minuten ausgewechselt wird“, räumte Prinz ein, die bei ihrer fünften WM bisher auch hinter ihren eigenen Erwartungen weit zurückblieb. „Ich bin nicht glücklich. Wir haben relativ wenig Fußball gespielt und das fand ich ein wenig enttäuschend“, sagte sie.

Bisher hat Neid an ihrer Vorzeigeathletin festgehalten, doch nun scheint auch sie ins Grübeln zu kommen. Gleichwohl kommt eine Demontage der verdienstvollen Spielführerin nicht infrage. „Die ganze Abteilung hat nach vorn nicht so gespielt, wie wir es gerne hätten, nicht nur Birgit Prinz“, sagte Neid, die ihrer glücklosen Sturmführerin aber keine Einsatzgarantie gibt. „Das muss ich mal schauen. Gesetzt waren ja sowieso die wenigsten Spielerinnen“, meinte Neid mit Blick auf die nächste Partie.

Managerin Doris Fitschen gab nach dem Umzug nach Düsseldorf zu, dass es für Prinz im Moment sehr schwer sei. „Sie steckt in einem Tief, aber ich glaube, sie kommt da wieder raus. Es gibt noch einige Chancen, gute Spiele zu zeigen.“ Laudehr betonte, dass man Prinz wieder aufbauen wolle: „Wir lassen niemanden allein.“

Die große Kulisse und die Last der Favoritenrolle scheinen die Spielerinnen eher zu lähmen als zu beflügeln, was Kim Kulig am Freitag energisch bestritt: „Die Menschenmassen haben nichts mit unserer Leistung zu tun.“ Neid will dennoch ergründen, „wie sich die Spielerinnen fühlen“ und die „nächsten Spiele vorstellen“. Man müsse auch vor 50 000 Fans in der Lage sein, den Ball anzunehmen und zur Mitspielerin zu passen, kritisierte Neid schonungslos. „Aber wenn wir den Ball mal erobert hatten, haben wir ihn gleich wieder verloren.“

Die Pfiffe seien aber nicht „auf uns gemünzt“, meinte Neid, sondern hätten sich gegen die harte Spielweise Nigerias und die schwache südkoreanische Schiedsrichterin Cha Sung-Mi gerichtet, die ihrer Elf keinen Schutz geboten habe. „Ich weiß nicht, warum sie nicht mehr unterbunden hat. Wenn wir mal gut kombiniert haben, wurden wir von Fouls gestoppt. Das hat es nicht gerade erleichtert“, konstatierte Neid, die sogar Verständnis für Unmut gegen ihr Team gehabt hätte: „Man hätte auch gegen uns pfeifen können.“

Die Bürde des Turnierfavoriten müsse man laut Neid trotz der schwächeren Leistung weiter tragen. „Alle Mannschaften geben gegen uns 120 Prozent. Wir sind nun mal in der Favoritenrolle. Und da bewegen wir uns im Moment auch gerne“, sagte die Trainerin.

Neid ist froh, dass nun ein paar Tage zur Pflege und Regeneration anstehen. Zeit, die Wunden zu kühlen und die Köpfe frei zu bekommen. „Wir sind eigentlich froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Ich habe unsere Mannschaft noch nie mit so vielen Blessuren und Verbänden aus der Kabine kommen sehen.“ Ob Melanie Behringer, die sich eine Bänderdehnung im Sprunggelenk zuzog, gegen Frankreich wieder einsatzfähig ist, ist offen.

„Wir haben sehr viel auf die Knochen gekriegt. Ich denke, wir haben trotzdem gut dagegengehalten“, betonte Laudehr. „Jeder versucht alles, den Weltmeister zu schlagen. Mit allen Mitteln“. Ihre Wut auf den Gegner entlud sich dann mit dem Siegtor: „Ich glaube, das war die perfekte Antwort.“

Linda Bresonik versprach, die Verhältnisse gegen die „Equipe tricolore“ nach deren 4:0 gegen Kanada wieder geradezurücken. „Wir müssen wieder unsere Spielfreude entwickeln. Mich ärgert einfach, dass wir noch nicht das zeigen konnten, was wir können“, sagte die Abwehrspielerin. Das soll sich schon im Gruppenfinale ändern: „Ich kann mir vorstellen, dass die Französinnen jetzt auf Wolke sieben schweben. Da wollen wir sie wieder runter holen.“