Weder Mann noch Frau - FIFA und Intersexualität
Frankfurt/Main (dpa) - Kicken nur „Frauen“ beim Frauenfußball? Kurz vor der WM erreicht das Thema Intersexualität im Sport die FIFA. Aber während andere Verbände nach der 2009er Jagd auf Südafrikas Läuferin Caster Semenya ihr Regelwerk erneuern, stecken die Fußballer in alten Denkmustern fest.
Mann oder Frau - oder irgendwo dazwischen? Seit der Leichtathletik-WM 2009 bewegt diese Frage die Sportwelt wie selten zuvor. Damals rannte Caster Semenya aus Südafrika über 800 Meter derart überlegen zu Gold, dass die Konkurrenz aus dem allzu männlichen Körper ihre Schlüsse zog. Was folgte war eine elf Monate lange und demütigende Fahndung nach dem Geschlecht der damals 18-Jährigen. Der Weltverband IAAF hat das Untersuchungsergebnis nie veröffentlicht, aber am Ende durfte die Südafrikanerin Titel und Preisgeld behalten - im Tausch gegen ihre intimste Privatsphäre.
Damit solch eine Hetzjagd nie wieder entbrennt, hat das Internationale Olympisches Komitee (IOC) mit der IAAF neue Regeln aufgestellt, wann eine - intersexuelle - Athletin noch bei den Frauen starten darf. Grundlage ist das Level männlicher Sexualhormone (Androgene) im Athletenkörper: Liegt es unterhalb dem eines Mannes, bekommt die Sportlerin grünes Licht. Entspricht es dem männlichen Level, muss sie nachweisen, dass sie aus dem hohen Wert keinen Vorteil zieht. Bei Leichtathleten gilt das Regelwerk seit dem 1. Mai, das IOC will es Anfang Juli auf seiner Sitzung in Durban verabschieden.
Auch die Fußballwelt holte das Geschlechterthema im Vorfeld der Frauen-WM ein, als Nigerias Nationaltrainerin im November des Vorjahres einen ungeheuerlichen Vorwurf aussprach: „Wie schon 2008 spielen bei Äquatorialguinea mindestens zwei Männer mit.“ Den Vorwurf gegen den WM-Exoten unterlegte manche Zeitung mit Bildern von Spielerinnen mit markanten Kiefern und breiten Schultern. Ob gezielter Betrug oder Intersexualität bei den Kickerinnen - für die FIFA war es an der Zeit zu handeln: Auf ihrem Kongress Ende Mai erließ sie neue Regeln für den Geschlechtertest - ein eigentlich veraltetes Konzept.
„Die Regelungen des IOC und der IAAF gehen in die richtige Richtung - auch wenn man über Details noch sprechen könnte. Aber die FIFA hängt da wohl noch ein bisschen hinterher“, sagt der Bonner Jurist Henning Wegmann, der über den Umgang mit Intersexualität im Sport promoviert. „Es hat den Eindruck, dass die FIFA vor Turnierbeginn noch etwas erlassen wollte.“
So schreibt der Weltverband in einer Pressemitteilung: Mit Blick auf die Integrität des Fußballs müsse gewährleistet sein, dass die Spieler die jeweiligen Teilnahmekriterien ihrer Wettkampfklassen erfüllen. Mitgliederverbände und Teamärzte seien verantwortlich, „das Geschlecht ihrer Spieler sicherzustellen“. Auf dpa-Nachfrage nach möglichen Hormon-Grenzwerten analog zu IAAF und IOC erklärte die FIFA, einzelne Grenzwerte reichten niemals aus, das Geschlecht eines Menschen festzulegen. Jeder Fall müsse einzeln betrachtet werden.
Ein Denkfehler, meint Wegmann: „Die FIFA scheint tatsächlich davon auszugehen, dass man das Geschlecht bestimmen kann. Dabei ist das aus wissenschaftlicher Sicht nicht in allen Fällen möglich.“ Und aus sportlicher Sicht auch nicht notwendig. Wichtiger wäre eine Handhabe, wann die Athleten starten dürfen - losgelöst von dem eindimensionalen Gedanken Mann oder Frau.
So wie IOC und IAAF es vorgemacht haben. Zwar beziehen sich deren Regeln nur auf eine bestimmte Form der Intersexualität, nämlich die, die durch Hyperandrogenismus verursacht wird - also die vermehrte Produktion männlicher Sexualhormone. „Aber das ist auch die einzige Form, die sich auf die Leistungsfähigkeit auswirkt“, sagt Wegmann. Er fragt sich, warum die FIFA die IOC- und IAAF-Ansätze nicht stärker übernommen hat. Zumal der Fußballverband erklärt hatte, aktiv und eng mit dem IOC zusammengearbeitet zu haben.
In einem Punkt allerdings setzt die FIFA dessen Richtlinien um: Oberstes Ziel sei in jedem Fall, die Privatsphäre und Würde der betroffenen Sportler zu schützen. So erlaubt der Verband nur wenigen Personen und Institutionen, einen Geschlechtertest zu fordern und droht mit Sanktionen, wenn die ihr Recht missbrauchen.