Feuer auf der Insel: Glänzende Bilanz des Fackellaufs

London (dpa) - Sie ist U-Bahn und Riesenrad gefahren, von einem Turm abgeseilt worden, und sogar live in einer der beliebtesten Seifenopern Großbritanniens aufgetaucht: Vor dem olympischen Feuer gab es für die Briten in den vergangenen 68 Tagen kaum ein Entrinnen.

Und offenbar hat es die Olympia-Begeisterung entfacht, die die Organisatoren sich gewünscht haben. Mehr als elf Millionen Menschen haben vom Straßenrand einen Blick auf die Fackel und ihre teils prominenten Träger wie Boris Becker, Lennox Lewis oder Queen-Enkelin Zara Phillips erhascht. Die Sicherheitsleute an ihrer Seite mussten keine ernsthaften Zwischenfälle bewältigen. Jetzt steht nur die wichtigste aller Fragen im Raum: Wer wird der Schlussläufer sein, der das Feuer am Freitag im Stadion entzündet. Steve Redgrave, Daley Thompson, sogar David Beckham wurden gehandelt. Die Buchmacher mussten frühzeitig die Wetten schließen. Favorit ist jetzt eher eine Gruppe von Sportlern, Freiwilligen oder Kindern.

Und bei den letzten Stationen in London hätte der Empfang kaum herzlicher sein können. Londons Bürgermeister Boris Johnson sollte recht behalten, als er ankündigte: „Mit ihrem Lauf durch die Stadt wird ihr Glanz die verbliebenen Wolken vertreiben und einen Waldbrand an Enthusiasmus auslösen.“

Der Fackellauf sollte das ganze Königreich miteinschließen - sowohl geografisch als auch gesellschaftlich. Die Tochter der britischen Königin Elizabeth II., die Reiterin und ehemalige Olympionikin Prinzessin Anne, hatte sie am 19. Mai aus Athen auf die Insel gebracht.

Der Lauf startete am südwestlichsten Punkt, in Land's End in Cornwall. Über Wales ging es hoch bis in die schottischen Highlands, über Berge, am Strand entlang, durch Industriegebiete, vorbei an Sehenswürdigkeiten wie dem Steinkreis Stonehenge und über den legendären See Loch Ness. Am vergangenen Donnerstag landete die Fackel schließlich per Hubschrauber in London, und verbrachte ihre erste Nacht in einem einstigen Gefängnis und heutigen Lagerort der Kronjuwelen, dem Tower.

An jedem Tag gab es besondere Geschichten zu entdecken, denn hinter den 8000 ausgesuchten Fackelträgern steckte so manche berührende oder beeindruckende Lebensgeschichte. So war der 12 Jahre alte Garvey Evans dabei, der vor einem Jahr einen Tumor von der Größe einer Kartoffel aus seinem Kopf entfernen lassen musste. Der 70 Jahre alte Neville Maggs setzt sich in einem Schulprojekt für Kinder ein. Als ältester Fackelläufer nahm der 101 Jahre alte „Marathon-Methusalem“ Fauja Singh das Feuer in die Hand. Er war mit 89 seinen ersten Marathon gelaufen. Auch mehrere Dutzend Deutsche waren dabei - darunter mit der 50 Jahre alten Claudia Rieß eine Ordensschwester aus dem bayerischen Dillingen.

Glücklicherweise war die goldfarbene, mit 8000 Löchern versetzte Fackel extra auf Wind und strömenden Regen getestet worden, denn das Wetter spielte beim Lauf nicht immer mit. Großbritannien erlebte den nassesten Juni seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, und so waren Schauer ein ständiger Begleiter. Mindestens zweimal ging die Flamme aus - der Regen soll dabei allerdings keine Rolle gespielt haben.