Spannung vor Olympia-Eröffnungsfeier

London (dpa) - Harry Potter und Mary Poppins, James Bond und Shakespeare, die Beatles, grüne Wiesen und Industrie-Schornsteine: Großbritannien strotzt nur so vor nationalen Symbolen, Stereotypen und Dingen, die auf der ganzen Welt als „very british“ erkannt werden.

Genau das will sich Filmregisseur Danny Boyle offenbar zunutze machen, wenn er mit seiner Show die Olympischen Spiele in London eröffnet. Dafür konnte er immerhin rund 27 Millionen Pfund (34 Millionen Euro) ausgeben. Zwei Tage vor dem Start sickerten nur häppchenweise Informationen durch. Vor allem Details des formellen Teils und Personalien blieben geheim.

Daran hatte auch eine erste große Probe vor 62 000 Zuschauern nicht viel ändern können. Im Zeitalter von Twitter und sozialen Netzwerken war befürchtet worden, dass es vorbei sein könnte mit Überraschungen. Doch viele der Besucher machten einen Sport daraus, Neugier zu wecken und trotzdem den Mund zu halten: Spektakulär werde es. Wer Freitag etwas anderes als Fernsehgucken vor hat, soll es absagen. Israel machte die Feier im Vorfeld zudem zum Politikum. Die Israelis wollen eine Schweigeminute für die Opfer des Olympia-Attentats von München 1972, das IOC lehnt dies ab.

Das größte Geheimnis bleibt die traditionell heiß diskutierte Frage, wer das Feuer entzünden wird - und wie. Als Favorit galt lange der fünfmalige britische Ruder-Olympiasieger Steve Redgrave. Auch der Name von Fußballstar David Beckham war zu hören - er gilt mangels olympischer Vergangenheit als nicht geeignet.

Organisationschef Sebastian Coe soll seinen Freund und Wegbegleiter, Daley Thompson, favorisieren. Der Zehnkämpfer hatte - wie Coe selbst - 1980 und 1984 Olympia-Gold für Großbritannien geholt. Mittlerweile wird spekuliert, es könnte eine Gruppe besonders verdienstvoller Sportler oder Ehrenamtler zum Zuge kommen. Oder ein Nobody, der bisher kaum in Erscheinung getreten ist?

Ein paar Programmpunkte allerdings stehen fest. Entweder, weil sie das Protokoll vorschreibt, oder, weil sie Tradition sind. Zum Beginn der Zeremonie um 21.00 Uhr (MESZ 22.00 Uhr) wird Königin Elizabeth II. am Olympiastadion eintreffen. In Empfang genommen wird sie vom Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge. Die Nationalhymne „God Save the Queen“ wird gesungen, die britische Flagge gehisst.

Es folgt die Parade der Athleten aus aller Welt. 204 Nationen werden dabei sein. Traditionell läuft Griechenland als Mutterland der modernen Spiele vorneweg, am Ende steht das Team GB als Ausrichterland. An der Spitze der deutschen Mannschaft wird Hockey-Rekordnationalspielerin Natascha Keller die schwarz-rot-goldene Fahne tragen.

Als Symbol für den Frieden werden dann Tauben aufsteigen, die Queen als Staatsoberhaupt erklärt die Spiele für eröffnet. Einer der Athleten wird stellvertretend für die mehr als 10 000 Olympioniken den olympischen Eid leisten. Eine Neuheit bei Olympia in London wird der Eid eines Trainers sein. Nach ihrer 8000 Meilen langen Reise durch das ganze Land trifft die Fackel im Stadion ein. Schließlich lüftet sich das Geheimnis um den letzten Fackelläufer, der das Feuer im Stadion entzünden wird.

Wenn das Feuer brennt, geht das künstlerische Programm los. Dafür hat sich Boyle vom Shakespeare-Stück „Der Sturm“ inspirieren lassen, in dem ein Zauberer und dessen Tochter auf einer einsamen Insel landen. Grüne britische Landschaften hat er angekündigt, picknickende Menschen und echte Pferde, Kühe, Schafe und Enten. Der Titel lautet „Inseln der Wunder“. Angeblich ist eine Sequenz bereits abgedreht: James-Bond-Darsteller Daniel Craig soll im Buckingham Palast die Queen getroffen und ein Video aufgenommen haben. Gemunkelt wird auch, er könnte per Hubschrauber im Stadion eintreffen.

Allzu idyllisch jedenfalls dürfte es nicht werden, denn schließlich ist Boyle als Macher von Filmen wie „Trainspotting“ und „Slumdog Millionär“ für seine Porträts der eher dunklen Seiten des Lebens bekannt. Und so sollen neben den Tausenden Sängern, Tänzern, Schauspielern auch Krankenschwestern des kriselnden nationalen Gesundheitsdienstes NHS mitmachen.

Die Feier wird von einem Milliardenpublikum in aller Welt gesehen - und soll die Werbetrommel für das von wirtschaftlichen Problemen und Rezession gebeutelte Land rühren. Es steht einiges auf dem Spiel, denn gerade die Eröffnungszeremonie wird traditionell besonders scharf beäugt.

So spaltete die als „sehr amerikanisch“ bezeichnete Feier in Atlanta 1996 mit dem kranken Muhammad Ali als Fackelträger die Gemüter. In Peking schickten die Macher 14 000 Menschen in die Arena, um die Welt von der Größe ihrer Nation zu überzeugen. Dies zu übertreffen, würde keinen Sinn machen, waren sich die London-Macher schon damals einig. Stattdessen wollen sie lieber etwas eigenes machen - das ganze eben „very british“.