Fußball Borussia Mönchengladbach und der abgepasste Triumph
Mönchengladbach. · Trainer Marco Rose hat Borussia Mönchengladbach in die Champions League geführt – zum perfekten Zeitpunkt
Nächste Woche Mittwoch ist es genau 30 Jahre her, als Franz Beckenbauer für sich alleine über den Rasen des Stadio Olimpico von Rom schlenderte. Mit beiden Händen in den Taschen einer beigefarbenen Stoffhose sowie der Goldmedaille als frischgebackener Weltmeister um den Hals ließ der Teamchef der deutschen Nationalmannschaft an jenem Abend des 8. Juli 1990 nach dem 1:0 im Finale gegen Argentinien seine Gedanken über den Triumph bei der WM in Italien sacken. „Wir haben bewiesen, dass wir
eine gute Mannschaft haben“, sagte Beckenbauer später.
Diesen Satz hätte Marco Rose am vergangenen Samstag durchaus exakt so sagen können. Der 43 Jahre alte Fußballlehrer führte Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga auf den vierten Platz der Tabelle und damit in die Champions League. Manager Max Eberl wird nicht müde zu betonen, dass dies für die Borussia wie der Gewinn der deutschen Meisterschaft sei. Und so reflektierte Marco Rose das Erreichte dann auch ähnlich wie einst Franz Beckenbauer. Mit einer Flasche kühlem Pils aus
der Eifel zog er sich auf seinen Trainerstuhl zurück, nahm einen Schluck und blickte auf die Ränge im Borussia-Park.
„Das ist ein außergewöhnlicher Moment für den Verein“
Anders als in Rom vor 30 Jahren waren diese leer. „Der wichtigste Faktor fehlt gerade, wir haben das auch für unsere Fans geschafft. Wo immer sie auch sind, ich hoffe sie genießen das. Wir genießen es auch, das ist ein außergewöhnlicher Moment für den Verein. Ich bin mächtig stolz auf meine Spieler“, meinte Rose. Vor einem Jahr hatte der gebürtige Leipziger schon Red Bull Salzburg in die Königsklasse des Fußballs geführt, zugunsten des Jobs bei der „Fohlenelf“ dann jedoch auf die Duelle mit Neapel, Genk und Liverpool verzichtet. „Nun darf ich auch endlich mitmachen“, meinte Rose mit einem Schmunzeln.
Bis 2022 läuft sein Vertrag in Mönchengladbach, als längerfristiges Projekt hatte Eberl den Wechsel auf der Trainerbank vor einem Jahr bezeichnet. Der Stil des Fußballs ist seit einiger Zeit im Begriff, sich zu verändern. Der Ballbesitzfußball a la FC Barcelona wird verdrängt vom aggressiven vorwärts verteidigen mit nach erfolgtem Ballgewinn schnellen Vertikal-Angriffsspiel a la FC Liverpool.
Für diesen Stil steht Rose und so musste Dieter Hecking weichen, weil Rose vor einem Jahr auf dem Markt war und Eberl diesen Mann nicht den gleichfalls um ihn werbenden Vereinen aus Hoffenheim und Wolfsburg überlassen wollte.
Dass sich der Erfolg bereits nach nur einer Saison eingestellt hat, unterstreicht Eberls Einschätzung. Marco Rose hat es auf Anhieb geschafft, die spielerischen Qualitäten von Stindl, Hofmann und Neuhaus mit den besonders durch die Zugänge Embolo, Lainer und Thuram verkörperten beiden neuen Komponenten Kraft und Tempo in Einklang zu bringen. Zudem gelang es dem lässig daherkommenden Sachsen mit seiner von Optimismus und Leidenschaft geprägten Art, dem Team nach Rückschlägen wie dem frühen Aus in beiden Pokal-Wettbewerben Stehauf-Mentalität zu verleihen. „Die Mannschaft ist gereift“, sagt Eberl.
Gladbach kann mit mindestens 20 Millionen Euro mehr planen
Was Eberl vor einem Jahr nicht wissen konnte, war die enorme Wichtigkeit dieses Reifeprozesses. Auf Grund der Corona-Pandemie hat sich die wirtschaftliche Situation aller Vereine verschlechtert. Die Erlöse aus den TV-Verträgen fallen geringer aus, dazu fehlen aktuell Zuschauer-Einnahmen und auch die Sponsoren haben ihre Zuwendungen kürzen müssen. Zwar ist die finanziell gesund aufgestellte Borussia bisher stabil durch die Krise gekommen, dennoch fehlen ihr am Saison-Ende zehn bis 13 Millionen Euro in der Kasse. Umso wichtiger ist da die Qualifikation für die Champions League.
Auf mindestens 20 Millionen Euro lässt sich die Differenz beziffern, die der Verein mit dem Sprung in die Königsklasse gegenüber einer Teilnahme an der Europa League mehr generieren wird. Das macht Eberl auf dem Transfermarkt handlungsfähig, um die Abgänge von Raffael, Johnson und Strobl zu kompensieren. „Wir wollen den Kader natürlich gut bestücken und den einen oder anderen Spieler holen“, sagt Eberl, erteilt größeren Einkäufen jedoch eine Absage. „Corona ist noch nicht vorbei. Wir werden das nun deutlich mehr vorhandene Geld auch verwenden, um entstandene Löcher zu stopfen.“
Doch nicht nur finanziell, auch sportlich ist die Teilnahme an der Champions League ein Quantensprung. Der Mannschaft und jedem einzelnen Spieler helfen Duelle mit dem FC Liverpool, Juventus Turin oder Real Madrid in der Entwicklung. Für Ginter, Zakaria oder Pléa ist dieses internationale Niveau der logische nächste Karriere-Schritt. Dass sie den Verein dafür nun nicht verlassen müssen, ist für Gladbach ein Pfund im Wettbewerb mit der nationalen Konkurrenz. Dass Marco Rose im Mai 2021 nach dem Finale der Champions League mit Stoffhose und Goldmedaille über den Rasen schreitet, sollte deshalb jedoch nicht erwartet werden.