DEB-Präsident Reindl vor WM: „Tendenz geht nach unten“

Prag (dpa) - Für Franz Reindl geht es nach 22 Absagen nur noch um Schadensbegrenzung für das deutsche Eishockey-Team bei der WM in Tschechien.

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Der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes hat seine Hoffnungen auf eine herausragende Weltmeisterschaft aufgegeben und spricht im Interview der Deutschen Presse-Agentur nur noch vom Klassenerhalt. Bundestrainer Pat Cortina gibt er keine Schuld an der Absagenflut. „Pat Cortina und der Generalmanager Charlie Fliegauf haben alles versucht“, sagte Reindl vor dem deutschen Auftaktmatch am Samstag gegen Frankreich (16.15 Uhr).

Ist das Auftaktmatch gegen Frankreich das WM-Schlüsselspiel?

Franz Reindl: Ich halte alle Spiele für Schlüsselspiele. Wir haben nach Frankreich noch sechs weitere Spiele. Alle Spiele sind unglaublich wichtig. Natürlich ist das ein Gegner auf Augenhöhe, und es wäre toll, wenn wir da einen Erfolg erzielen könnten.

Im zweiten Spiel am Sonntag geht es gegen Kanada und Weltstar Sidney Crosby - auch für Sie etwas Besonderes?

Reindl: Das ist ein Highlight. Auch für mich als Zuschauer. Ich freue mich drauf, weil ich weiß, dass unsere Mannschaft als Außenseiter auf solche Gegner besonders heiß ist.

Wie sehr hat Sie die Absage von Dennis Seidenberg getroffen?

Reindl: Ich habe wirklich auf eine Zusage gehofft, und Pat Cortina hat sich auch stark bemüht. Das wäre schon noch mal eine Top-Ergänzung gewesen.

Insgesamt haben 22 Spieler zum Teil verletzt abgesagt - wie problematisch ist das?

Reindl: Natürlich ist das schwer. Pat Cortina und der Generalmanager Charlie Fliegauf haben alles versucht. Aber wir brauchen Spieler, die zu hundert Prozent fit sind - physisch und psychisch, um sieben Spiele in zehn Tagen erfolgreich durchzustehen. Die Mannschaft, die jetzt dabei ist, ist die beste Mannschaft, die wir haben. Auch wird Geoff Ward - der Trainer von Meister Adler Mannheim - als Assistent das Trainerteam bereichern.

Was ist mit diesem Team drin bei der WM?

Reindl: Die Mannschaft muss sich jetzt sehr schnell finden. Ich bin aber sehr positiv gestimmt, dass die Mannschaft, die jetzt hier ist, das Beste aus sich herausholen wird.

Was heißt das konkret?

Reindl: Hoffnungen und Träume, zum Beispiel vom Viertelfinale, kann und muss man haben. Immer, wenn man zur WM fährt, fängt man bei null an - das gilt für alle. Realistisch ist aber, dass man in der Gruppe A um die Plätze fünf, sechs und sieben kämpfen muss.

Die U20 ist dieses Jahr bereits abgestiegen, die U18 auch und auch die Frauen. Wird es einen vierten Abstieg geben?

Reindl: Nein, das befürchte ich nicht. Ich glaube, dass die Mannschaft stark genug ist. Aber wir benennen schon seit Monaten die klare Tendenz. Und die geht nach unten und nicht nach oben. Deswegen haben wir ja sportliche und strukturelle Reformen gestartet, die aber erst langfristig greifen können. Kurzfristig, hier in Prag, brauchen wir neben ein bisschen Glück eine Top-Mannschaft, eine Top-Einstellung und den unbedingten Willen zum Sieg. Und ich glaube, dass diese Mannschaft das drin hat.

2010 stand man noch im WM-Halbfinale, danach ging es bergab. 2013 wurde das erste Mal überhaupt die Olympia-Qualifikation verspielt, 2014 folgte die seit Jahren schlechteste WM mit Platz 14 - woran liegt das?

Reindl: Das ist die schleichende Entwicklung der letzten Jahre. Dann kommt Pech, dann kommen Verletzungen und andere Schwierigkeiten hinzu, mit denen du aber auch fertig werden musst. Das ist natürlich jetzt eine totale Häufung von schlechten Umständen. Aber ich bin trotzdem positiv, dass wir das schaffen können in Prag.

Hat Pat Cortina ein Problem, die Spieler für die Nationalmannschaft zu motivieren?

Reindl: Das glaube ich nicht. Von den aufgezählten Absagen hätte ja auch nicht jeder im endgültigen Kader gestanden. Pat geht mit diesen Absagen im Übrigen sehr professionell und ohne Jammern um. Hut ab.

Cortinas Vertrag endet nach der WM. Wie geht es dann weiter?

Reindl: Im Moment liegt der Fokus nur auf Prag. Unsere ganze Unterstützung liegt bei der Mannschaft und Pat Cortina. Alle anderen Fragen sind danach zu behandeln.

Cortina wies darauf hin, dass er im ersten Jahr seiner Amtszeit zugleich noch Clubtrainer in München war und im zweiten Jahr auch noch Sportdirektor. Erst jetzt sei er nur Bundestrainer, erst jetzt sei es sein Team...

Reindl: Das verstehe ich auch, und das ist auch alles richtig. Aber das interessiert zur Zeit keinen. Jetzt haben wir die WM, und da müssen wir durch. Da sind wir alle gefordert. Unser aller Fokus muss auf diese sieben Spiele gerichtet sein. Alles andere machen wir später.

Dennoch: Können Sie seine Hinweise verstehen?

Reindl: Wir haben ja immer gesagt, dass man alle drei Jahre beurteilen muss. Deswegen treffen wir uns nachher.

War es ein Fehler, Cortina als Bundestrainer und Sportdirektor zu holen?

Reindl: Die Frage beantwortet sich von selbst, ich will das nicht tun. Es bringt ja jetzt nichts mehr. Das ist jetzt vorbei. Jetzt haben wir eine schwere WM vor der Brust.

Es gibt Gerüchte, dass Uwe Krupp nach der WM als Bundestrainer zurückkehren könnte. Er ist bei vielen Spielen auf der Tribüne dabei, meist neben Ihnen - was sagen Sie dazu?

Reindl: Nichts. Wir haben vereinbart, dass wir jetzt die WM spielen und uns danach zusammensetzen. Das ist der Weg. Einen anderen gibt es nicht.

ZUR PERSON: Franz Reindl (60) übernahm im vergangenen Sommer das Amt des DEB-Präsidenten vom glücklosen Uwe Harnos. Der frühere Nationalspieler machte sofort einige von dessen Entscheidungen rückgängig, so etwa befreite er Bundestrainer Pat Cortina von dessen zusätzlichem Amt als DEB-Sportdirektor. Der Olympia-Bronzemedaillengewinner von 1976 war zuvor selbst Sportdirektor und Generalsekretär beim DEB.