Eishockey-WM Enttäuschung nach Olympia-Boom - Frühes Aus für DEB-Team
Herning (dpa) - Bundestrainer Marco Sturm gibt sich nach dem ernüchternden Vorrunden-Aus bei der WM keinen Illusionen hin. Nach Olympia-Silber kann der Umbruch im deutschen Eishockey Jahre dauern.
Zweieinhalb Monate nach der Sensation von Pyeongchang und einer neuen Euphorie für die Sportart in Deutschland hat der schwierige Neuanfang mit der ersten großen Enttäuschung in seiner Amtszeit begonnen.
Das neuformierte Team reicht (noch) nicht an die Generation heran, die den Kern des Wunderteams von Südkorea gebildet hat. „Die Mannschaft war einmalig. Jahrelang haben wir gebraucht, dass wir sie zusammenbekommen haben“, sagte Sturm. „Jetzt ist ein neuer Abschnitt, und man braucht eine gewisse Zeit. Wir müssen jedes Jahr hart kämpfen um Plätze und Punkte. Das wird sich in naher Zukunft nicht ändern.“
Aus Sicht von DEB-Präsident Franz Reindl war es die erwartet „schwierige“ WM: „Das ist ein Prozess, der Zeit dauert“, sagte der 63-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. „Ein bisschen was hat gefehlt. Es ist nicht so recht unsere WM geworden.“
Nach dem eigenen 1:3 gegen die Letten und dem 5:1 der Finnen über Kanada im dänischen Herning war Tatsache, dass die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bunds im dritten Jahr unter Sturm erstmals das WM-Viertelfinale verpasst. Für den erhofften nachhaltigen Aufschwung nach dem Olympia-Hype ein bitteres Resultat. „Das würde ich jetzt nicht als Rückschritt bezeichnen. Es kann ja nicht immer nach oben gehen“, wehrte Reindl ab und betonte: „Der Kampf ums Viertelfinale wird immer bleiben.“
Die letzten Vorrundenspiele gegen die Top-Nationen Finnland am Sonntagabend (20.15 Uhr) und Kanada am Dienstag (16.15 Uhr) wurden zu Spielen hauptsächlich um die Ehre. Der Umbruch war groß, vielleicht zu groß, und Sturm hatte selbst nicht mit insgesamt 17 Ausfällen und Absagen, Verletzungen und Rücktritten kalkuliert.
Dass Leader wie Christian Ehrhoff (35), Marcel Goc (34) und Patrick Reimer (35) nach Olympia zurücktreten, war für ihn zwar absehbar. Der 39-Jährige darf sich aber auch von manchem seiner Silberjungs im Stich gelassen fühlen. Auch wenn er das selbst nicht direkt zugibt. „Das ist immer die Entscheidung von den Spielern“, sagte er. Für ihn sei es wichtig, dass sie Deutschland tatsächlich unterstützen wollen. „Nur solche Spieler brauche ich“, stellte er klar. Wenn einer sich nicht sicher sei, „dann soll er lieber zuhause bleiben“.
Nur zwei Monate nach den einmaligen Emotionen von Pyeongchang und am Ende einer kräftezehrenden Saison mussten sich die Nationalspieler für die jährlich ausgetragene Weltmeisterschaft aufraffen. Stürmer Dominik Kahun, einer von nur zehn Silbergewinnern im WM-Team von Dänemark, räumte ein, wie schwierig die mentalen Auf und Abs seien, wie sehr er die Müdigkeit spüre. Als einer von nur drei Profis stieß der 22-Jährige spät von Meister München zum Team. Die Finalserie gegen Berlin endete erst eine gute Woche vor dem WM-Auftakt. Vier andere Münchner sagten verletzt oder aus persönlichen Gründen ab.
Erst kurzfristig bekam der Bundestrainer Bescheid. „Ich wusste nicht, außer vielleicht von einem, wer jetzt wirklich kommt oder nicht“, gab Sturm zu: „Es sind mehr weggefallen als geplant.“ Auch NHL-Verteidiger und Kapitän Dennis Seidenberg (36), einer von wenigen verbliebenen Routiniers im Team, kritisierte: „Wir haben zu viele Absagen gehabt, auch sehr viele erfahrene Spieler.“
Junge Profis füllen in Dänemark auch notgedrungen die Lücken. 13 von 25 WM-Teilnehmern sind 25 Jahre oder jünger. Sturm mahnt und kritisiert, dass es an Qualität und Quantität im deutschen Nachwuchs mangelt. Dass Deutschland der internationalen Entwicklung weit hinterherhinkt. In Herning erweckte er den Anschein, als ob er selbst nicht so sehr an seine Mannschaft glaube wie in der Vergangenheit.
Der Hype nach dem olympischen Silber dürfte mit dem Vorrunden-Aus schneller verpuffen als erhofft. „Ich denke, damit man einen Boom in Deutschland erhält, muss man wahrscheinlich im Halbfinale stehen. Da brauchen wir uns gar nicht großartig anzulügen“, sagte Sturm. DEB-Präsident Reindl fürchtet dagegen kein schnelles Ende der Euphorie: „Die Zahlen, die wir haben, sind positiv. Das wird sich durch das Nicht-Erreichen des Viertelfinals nicht ändern“, sagte er.