EM in Zagreb als Standortbestimmung für deutsche Fechter
Zagreb (dpa) - Mit allerletzter Hingabe und ultimativer Leidenschaft müssten sich die 25 deutschen Fechter dem Europachampionat nicht unbedingt widmen. Ein knappes Jahr nach Olympia sind die kontinentalen Titelkämpfe von Sonntag bis zum 21. Juni allenfalls ein Testlauf für die Zukunft.
In der mit einem Fassungsvermögen von 15 200 Besuchern für eine EM überdimensionierten Arena Zagreb sind die Titelkämpfe für den Deutschen Fechter-Bund vor allem eines: „Ein Übergang und eine Standortbestimmung“, sagte Sportdirektor Sven Ressel der Nachrichtenagentur dpa.
Eine spezielle Vorbereitung gab es nicht, die Anreise ist individuell geregelt. Der ehemalige Säbel-Weltmeister Nicolas Limbach startet aus Studiengründen gar nicht, Britta Heidemann als Olympia-Zweite von London nimmt mit dem Degen nur im Einzel (19. Juni) teil. Ressel: „Der Fokus liegt ganz klar auf den Weltmeisterschaften im August in Budapest.“
Und in der Zukunft: „Wir befinden uns mitten im Umbruch“, kommentierte Ressel das deutsche Aufgebot der 25 - eine Mischung aus Etablierten wie dem viermaligen Florett-Einzelweltmeister Peter Joppich (30) und der früheren Degen-Europameisterin Imke Duplitzer (37) und Neulingen wie Johann Gustinelli (Florett), Falk Spautz (Degen) oder Richard Hübers (Säbel).
Ein Muster ohne Wert soll Zagreb dennoch nicht werden. Zum einen gibt es doppelte Weltranglistenpunkte, zum anderen sollen die Jungen die langjährigen Protagonisten bedrängen und sich schon jetzt für die Spiele in Rio und die des Jahres 2020 empfehlen. Ressel: „Und wir wollen drei Medaillen holen - das ist auch realistisch.“
Vor einem Jahr gab es in Legnano (Italien) Florett-Silber durch den mittlerweile zurückgetretenen Benjamin Kleibrink und vier dritte Plätze (Monika Sozanska, Jörg Fiedler/beide Degen, Herrensäbel, Herrenflorett/beides Team).
Die ganz großen Erfolge der einstigen deutschen Vorzeigesportart waren zuletzt ausgeblieben. Fechter-Präsident Gordon Rapp registrierte eine Art „Hängematten-Mentalität“ - und kündigte schon im April während der deutschen Florettmeisterschaften in Tauberbischofsheim eine härtere Vorgehensweise an.
Klare Ansage: Wer nicht mitzieht und Zielvereinbarungen verfehlt, muss als Athlet oder Trainer im schlimmsten Fall mit dem Verlust des Kader- oder Arbeitsplatzes rechnen. Für Ressel setzt sich der Effekt positiv fort: „Alle sollen diesen Druck spüren, keiner unserer Etablierten hat etwas sicher.“
Dass sich dringend etwas tun muss, bewiesen die ernüchternden Ergebnisse der Junioren-WM im April in Porec (Kroatien) mit nur einem deutschen Titel und ohne weitere Medaille. DFeB-Vizepräsident Dieter Lammer hielt fest: „Mit der Ausnahme Herrensäbel sind wir derzeitig nicht konkurrenzfähig.“ Bei der U 23-EM Anfang Juni in Torun (Polen) gab es immerhin einmal Gold, dreimal Silber und zweimal Bronze.
Das deutsche Aufgebot für die Fecht-EM in Zagreb:
Damendegen: Imke Duplitzer (OFC Bonn), Britta Heidemann (TSV Bayer 04 Leverkusen/nur Einzel), Monika Sozanska (Heidenheimer SB), Beate Christmann (FC Tauberbischofsheim), Anja Schünke (Heidenheimer SB/ nur Team)
Damenflorett: Sandra Bingenheimer (FC Tauberbischofsheim), Carolin Golubytskyi (FC Tauberbischofsheim), Anne Sauer (FC Tauberbischofsheim), Katja Wächter (Tauberbischofsheim)
Damensäbel: Alexandra Bujdoso (KSC Koblenz), Sibylle Klemm (Bayer Dormagen), Stefanie Kubissa (Bayer Dormagen), Anna Limbach (Bayer Dormagen)
Herrendegen: Norman Ackermann (FC Tauberbischofsheim), Jörg Fiedler (FC Leipzig), Steffen Launer (FC Leipzig), Falk Spautz (Bayer Leverkusen)
Herrenflorett: Sebastian Bachmann (FC Tauberbischofsheim), Peter Joppich (CTG Koblenz), Johann Gustinelli (FC Tauberbischofsheim), Marius Braun (OFC Bonn)
Herrensäbel: Benedikt Wagner (Bayer Dormagen), Max Hartung (Bayer Dormagen), Richard Hübers (Bayer Dormagen), Matyas Szabo (Bayer Dormagen)