Fußball-Bundesliga Am Ende aller Ideen
KÖLN · In einem einzigen Spiel stellt der 1. FC Köln drei Negativ-Rekorde seiner Bundesliga-Historie ein. Nun wird der Ton rauer.
Nach dem fatalen Dreifach-Rekord stellte Trainer Markus Gisdol die Charakter-Frage in Richtung seiner Spieler, er selbst muss aber offenbar weiter nicht um seinen Job bangen. „Wir sind viel zu leise und zu brav. Das gefällt mir nicht“, sagte der Trainer des Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln nach dem 1:2 (1:1) gegen Union Berlin und den Absturz auf einen Abstiegsplatz: „Andere Mannschaften feuern sich an, wehren sich mehr. Da muss ich meine Mannschaft in die Verantwortung nehmen.“
Für Gisdol war es ein klarer Stilbruch, schließlich hat sich der Trainer bisher stets vor seine Mannschaft gestellt und die Misserfolge vorrangig mit fehlendem Selbstvertrauen und mangelnder Eingespieltheit begründet. Die Kritik äußerte der 51-Jährige nun nicht auf Nachfrage, sondern brachte sie selbst öffentlich hervor. „Wir dürfen nicht den Kopf verlieren und müssen klar bleiben“, sagte Gisdol: „Aber wir müssen intern hart sprechen.“
Das forderte am Montagmorgen auch Sportchef Horst Heldt. Denn es wäre „das Allerallerschlimmste, wenn wir uns irgendwas in die Tasche lügen und etwas gutreden würden, was nicht gut ist“. Seine Rückendeckung für Gisdol erneuerte er aber. „Es bleibt dabei“, sagte Heldt: „Solange wir überzeugt sind, werden wir daran festhalten. Und wir sind überzeugt.“ Der Trainer stehe „genauso in der Verantwortung, die Probleme zu lösen, wie die Spieler“. Es bringe nichts, es auf Einzelne runterzubrechen. „Jetzt sind alle gefordert. Am Ende können es immer nur die Spieler richten. Das Trainer-Team gibt ihnen das Handwerkszeug mit, und das tut es nach wie vor. Die Spieler müssen es halt umsetzen.“ Doch von einer Umsetzung war der FC gegen Union Berlin so weit entfernt wie lange nicht.
Woher die grundsätzliche Überzeugung für Gisdol aber rührt, ist nicht ganz klar. Denn die lange Serie siegloser Spiele von 18 über die laufende Saison gegriffen unter dem Trainer Gisdol muss dessen Arbeit infrage stellen, die zuvor schon beispielsweise in Hamburg nach ähnlichem Muster verlaufen war: Zunächst gab es schnell eine Positivserie, danach aber einen freien, unaufhaltsamen Fall. Gisdol musste dann nach siebzehn Monaten im Januar 2018 gehen, nachdem aus 19 Spielen nur 15 Punkte auf dem HSV-Konto waren.
Möglich, dass das Festhalten in Köln am Trainer dreierlei geschuldet ist: Erstens ist Heldt eng mit Gisdol, kam mit ihm gemeinsam zum FC und wirbt für dessen Fähigkeiten seit Amtsantritt, zweitens greift der FC in exträm spärliche Kassen und drittens stünde einem eventuell neuen Trainer gleich ein Horrorprogramm bevor, dass ihn gleich mitverbrennen könnte: Spiele gegen Dortmund, Wolfsburg, Leverkusen oder Leipzig nur unterbrochen vom Spiel gegen Mainz lassen niemanden davon träumen, dass es schnell besser werden könnte in Köln.
Und: Die lang ersehnte Rückkehr des Kapitäns und „unumstrittenen Führungsspielers“ Jonas Hector nach zweimonatiger Verletzungspause wird das Führungsspieler-Problem alleine nicht lösen. Am Sonntag sprach Hector vor dem Spiel und zur Halbzeit in der Kabine zur Mannschaft. Der Effekt blieb aus.
Und so stellte der FC in einem einzigen Spiel gleich drei Minus-Rekorde ein. Köln ist seit 18 Spielen ohne Sieg, blieb 19 Mal in Folge nicht ohne Gegentor und wartet seit zehn Spielen auf einen Heimerfolg. Bei den ersten beiden Höchstwerten wird das aktuelle Team am nächsten Samstag wohl alleiniger Rekordhalter werden, wenn der FC bei Borussia Dortmund antreten muss.
So machen im Kampf um den Klassenerhalt derzeit vor allem vier Dinge Hoffnung. Sie heißen: Schalke, Bielefeld, Mainz und Freiburg. Die Schwäche der Konkurrenz und das Schnecken-Rennen im Tabellenkeller sind derzeit der größte Mutmacher für den FC, der kurioserweise im Falle eines Unentschiedens gegen Union nach acht Spieltagen ohne Sieg auf dem rettenden 15. Platz gestanden hätte. Nun belegt Köln erstmals in dieser Spielzeit einen direkten Abstiegsplatz.
„Diese außergewöhnliche Situation, die wir haben, spiegelt sich im Tabellenbild wider. Und darin, dass mehrere Vereine mit großen Problemen zu kämpfen zu haben“, sagte Gisdol über die Corona-Zeit. Auch Timo Horn, der im 17. Anlauf als erster Bundesliga-Torhüter einen Elfmeter von Max Kruse hielt, im Nachschuss aber das entscheidende Tor hinnehmen musste, macht es Hoffnung, „dass da ein paar Mannschaften dabei sind, die wir mit einem Sieg überholen können. Wir wissen, dass wir uns rauskämpfen können“, sagte Horn: „Wenn wir nicht an uns glauben, wer dann?“ Doch der Glaube schwindet. „Wenn wir die Fehler nicht abstellen, gewinnen wir dieses Jahr kein einziges Spiel“, sagte Innenverteidiger Rafael Czichos.