Druck im Profisport Bierhoff zum Fall Mertesacker: „Müssen stärker zuhören“

Berlin (dpa) - Nach den drastischen Äußerungen von Per Mertesacker über den Druck im Profisport haben Vertreter der DFB-Spitze von Trainern und Verantwortlichen mehr Offenheit im Umgang miteinander gefordert.

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Man müsse dem Individuum „noch stärker zuhören“ und Hilfestellungen anbieten, sagte Oliver Bierhoff dem „Handelsblatt“. Die Aussagen des früheren DFB-Profis hätten ihn „angesichts der Heftigkeit seiner Schilderung doch ein wenig überrascht“, sagte der Teammanager der Fußball-Nationalmannschaft und sprach sich generell für mehr „Offenheit und Empathie“ aus.

Insgesamt sieht Bierhoff Mertesackers Kritik am System durchaus zwiespältigt: „Man muss sich als Spieler bewusst sein, dass man immer wieder mit enormem Druck von außen und ständiger Bewertung konfrontiert wird — durch Fans, Vereine, Sponsoren, Medien“, sagte der 49-Jährige. „Dabei müssen wir den Akteuren aber auch helfen. Und sie müssen sich helfen lassen.“ Weltmeister Mertesacker hatte im „Spiegel“ den immensen Druck kritisiert und am eigenen Beispiel beschrieben. So habe sein Körper auf die hohe Erwartungshaltung vor jedem Spiel mit Brechreiz und Durchfall reagiert.

„Ich glaube, dass es eine Stärke sein kann, auch Schwäche zu zeigen“, sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel. Er wisse aus seiner Arbeit bei der Robert-Enke-Stiftung, „dass viele Spieler auch mal ein Wort brauchen, Hilfe brauchen, und dann, auch mit Hilfe der Sportpsychologie, zu ganz anderen Leistungen fähig sind“, betonte der Chef des Deutschen Fußball-Bundes am Montagabend in Neu-Isenburg. Es sei wichtig, „dass der Kopf frei ist von Belastungen und Problemen. Dafür sollten Trainer ein Herz haben und offen sein“, sagte Grindel.

Ex-Profi Stefan Effenberg äußerte Verständnis für die Aussagen Mertesackers und kritisierte seinen früheren Mitspieler Lothar Matthäus scharf. „Ich glaube, dass Lothar Matthäus in einer Jugendakademie ein Riesenproblem hätte, weil er das gar nicht versteht. Oder nicht verstehen will“, schrieb Effenberg am Dienstag bei „t-online.de“. Dies könne „ja nur daran liegen, dass er sich nicht wirklich mit dem Thema beschäftigt hat“.

Rekordnationalspieler Matthäus hatte nach dem „Spiegel“-Interview Mertesackers gesagt: „Wie will er nach diesen Aussagen weiter im Profifußball tätig sein? Er hat doch die Idee, im Nachwuchs zu arbeiten. Wie will er einem jungen Spieler diese Professionalität vermitteln, wenn er sagt, dass da zu viel Druck ist? Das geht nicht.“

Effenberg widersprach seinem ehemaligen Kollegen beim FC Bayern München und in der Nationalmannschaft mit deutlichen Worten. „Natürlich kann Mertesacker den Job ausüben — und zwar in einer herausragenden Art und Weise. Er weiß, wovon er spricht.“

Er könne Mertesackers Äußerungen zu „hundert Prozent“ nachvollziehen. Steigende Gehälter und Ablösesummen seien ein „großes Problem“, weil der Druck weiter steige. „Wenn man das abtut und sagt: "Die verdienen ja auch Millionen." Dann ist das ein Argument, das mich ankotzt. Denn es handelt sich immer noch um Menschen“, sagte Effenberg.