Borussia Mönchengladbach Christoph Kramer: "Zuschauer sollen sich eine Bratwurst holen gehen, aber bitte nicht pfeifen"
Gladbachs Spieler kritisieren die Pfiffe der Zuschauer. Kramer spricht Klartext. Das 1:1 gegen Augsburg könnte für Europa zu wenig sein.
Mönchengladbach. Der Ball reichte ihm bis zu den Knien, aber irgendwie musste sich der kleine Julien die Zeit ja vertreiben. Über eine Stunde lang flitzte der 15 Monate alte Sohn von Gladbachs Angreifer André Hahn in den Katakomben des Borussia-Parks dem gelben Leder hinterher, während der Papa versuchte, seine Doping-Probe abzugeben. Es lief nicht flüssig. Das hatte es zuvor im Spiel beim ganzen Team nicht getan. Mit einem 1:1 (0:0) gegen den FC Augsburg sind die Chancen auf eine Europapokal-Qualifikation für die "Fohlenelf" kleiner geworden.
"Noch können wir es schaffen. Aber dazu müssen wir die beiden letzten Saison-Spiele zunächst mal gewinnen", sagte Hahn, nachdem ihm der Doping-Kontrolleur gestattet hatte, mit dem x-ten alkoholfreien Bier in der Hand kurz zu den Presse-Vertretern zu gehen. Schließlich war es Hahn, der in der vierten Minute der Nachspielzeit den Ausgleich erzielt und die Hoffnung damit erst am Leben erhalten hatte. "Ich betrachte diesen Treffer als Lohn für meine Arbeit der vergangenen Wochen. Heute war ich eher weniger gut", sagte Hahn.
Der Frust darüber hatte sich bei André Hahn vier Minuten vor seinem 1:1 entladen. Genervt von den nachvollziehbaren Spielverzögerungen der Augsburger, die den Klassenerhalt nach der Führung durch den Isländer Alfred Finnbogason (57.) dicht vor Augen hatten, schubste der 26-Jährige einen Gegenspieler zur Seite und handelte sich die gelbe Karte ein. "Ich war wütend über mich selbst. Dazu lief es für uns insgesamt nicht gut. Da sind dann halt ein paar Emotionen frei geworden", sagte Hahn mit einem Schmunzeln.
Gar nicht zum Lachen hingegen war für die Borussen das Verhalten der Zuschauer im mit 52 362 Besuchern gefüllten Borussia-Park. Immer wieder gab es von den Rängen wegen der diesmal schwachen Darbietung Pfiffe und Unmutskundgebungen. "Die Fans in der Nordkurve unterstützen uns ja stets prächtig. Ich würde mir allerdings schon wünschen, dass dies auch auf den anderen Plätzen im Stadion so wäre", sagte Torhüter Yann Sommer und Christoph Kramer meinte: "Die Erwartungshaltung beim Publikum ist groß geworden."
Der seit dem 17. März wegen eines Innenband-Teilrisses im Knie-Gelenk vermisste 26-jährige Mittelfeldspieler feierte in der 67. Minute sein Comeback. "Ich bin froh, wieder dabei sein zu können. Das tat richtig gut", sagte Kramer, ergänzte jedoch: "Ich habe schon nach einer Minute gemerkt, dass mir noch so ungefähr 92 Prozent an Körnern fehlen." Bei hundert Prozent war der gebürtige Solinger allerdings sofort wieder, was seine ehrliche Meinung angeht. Die Pfiffe nervten ihn massiv. "Die bringen keinem etwas."
Kramer gab zu bedenken, dass sich diese besonders auf die Leistung der jungen Spieler kontraproduktiv ausgewirkt hätten. "Wir haben nicht nur erfahrene Profis auf dem Platz, sondern auch etliche unter 21. Pfiffe sind für sie nicht hilfreich. Die Jungs sind so in ihren Aktionen nur noch hektischer geworden", sagte Kramer und holte richtig aus. "Wenn die Zuschauer permanent unterhalten werden wollen, dann müssen sie nach München ziehen oder im Fernsehen DSDS schauen. Hier sollen sie sich bei Unzufriedenheit eine Bratwurst holen gehen, aber bitte nicht pfeifen. Das ärgert mich schon."
Zumal ersichtlich ist, dass die "Fohlen" nach nun 49 Pflicht-Spielen und durch viele Verletzte auf dem letzten Huf galoppieren. "Das war heute ein Punkt der Moral, nicht des fußballerischen Glanzes. Die Mannschaft ist am Anschlag, aber noch kann sie ihre Aufholjagd krönen", sagte Sportdirektor Max Eberl und Torwart Yann Sommer meinte: "Das 1:1 war sicher nicht ganz verdient, kann jedoch eventuell noch sehr wichtig werden." Dann hätte der Hahn aber mal so richtig gut gekräht.