Borussia Mönchengladbach Der Mann, der Gladbachs letzten Pokal geholt hat

Vor 22 Jahren gewann Bernd Krauss mit Borussia Mönchengladbach den DFB-Pokal. Am Montag wird er 60 Jahre alt. Einen Titel hat der Club seither nicht mehr gewonnen.

Bernd Krauss wird am 8. Mai 60 Jahre alt.

Foto: Roland Weihrauch

Mönchengladbach. Der Himmel war strahlend blau, und die Welt schaute nach Berlin. Der Künstler Christo hatte den Reichstag mit silberfarbenem Stoff verhüllt und versetzte die Besucher in Staunen. Vor 22 Jahren, an diesem 24. Juni 1995, war das Werk von Christo und seiner Frau Jeanne-Claude vollbracht. Weniger Kilometer davon entfernt gelang ein anderes Werk. Jenes von Borussia Mönchengladbach: der 3:0-Pokalsieg im Olympiastadion gegen den aufstrebenden Zweitligisten VfL Wolfsburg. Für den damaligen Cheftrainer Bernd Krauss war gleich zu Beginn seiner Trainerlaufbahn ein Traum in Erfüllung gegangen. „Einen Pokal in Händen zu halten, ist überwältigend. Das war für mich wie ein kleines Sommermärchen“, sagt Krauss rückblickend. Am Montag feiert der gebürtige Dortmunder Geburtstag, wird 60. Derweil die Gladbacher weiter sehnsüchtig auf den ersten Titel nach eben diesen Tagen von 1995 in Berlin warten.

Dass Krauss der Trainer ist, der mit Mönchengladbach zuletzt einen Titel geholt hat, erfüllt ihn zwar mit Stolz, andererseits hätte er der Fohlen Elf in der Zwischenzeit gerne Weiteres gegönnt. „Ich war auch jetzt im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Frankfurt im Stadion. Extrem bitter das Aus. Denn eine solche Chance kommt so schnell nicht wieder.“

Krauss hat sie genutzt und die Karriereleiter früh erklommen. Zu Beginn seines Trainerjobs führte er als erster Trainer in der Bundesliga die Viererkette ein und entwickelte die im grauen Mittelmaß darbende Gladbacher Mannschaft schrittweise wieder nach oben. Krönung: Der Gewinn des DFB-Pokals 1995. „Wir spielten einen modernen Fußball. Schnell, einfallsreich, viel über die Flügel. Und Stefan Effenberg war unser Leitwolf“, erzählt Krauss und gerät ein bisschen ins Schwärmen.

Selbst der FC Bayern profitierte vor 22 Jahren vom Gladbacher Pokalgewinn und rutschte dadurch als Tabellen-Sechster noch in den Uefa-Cup. Manager Uli Hoeneß zeigte sich von seiner großzügigen Seite und schickte eine Ladung Weißbier und Weißwürste an den Niederrhein.

Jupp Heynckes, Gladbachs Trainer in den 80er Jahren, hatte Krauss 1983 von Rapid Wien losgeeist, wohin der 20-jährig von Borussia Dortmund aus gewechselt war. 167 Mal trug er das Trikot der Fohlen Elf, zuvor 191 Mal das von Rapid Wien. Nach dem Ende seiner Spieler-Karriere machte Krauss in Köln seinen Trainerschein. Vier Jahre war Krauss dann Cheftrainer bei Borussia Mönchengladbach, bevor er im September 1996 nach Differenzen mit Präsident Karl-Heinz Drygalsky zurücktrat.

Ohne große Pause setzte Krauss beim Baskenklub Real Sociedad San Sebastian seine Laufbahn fort. Wenig später folgte er dem Lockruf von Borussia Dortmund. Michael Skibbe hatte dort die hoch gesteckten Erwartungen nicht erfüllen können. Und auch Krauss kam mit dem sündhaft teuren Kader nicht zurecht, hielt nur 67 Tage durch. Nach vier Unentschieden und sieben Niederlagen musste er wieder seine Sachen packen.

„Ich hätte das Angebot nicht annehmen dürfen, war emotional zu sehr mit Dortmund verwachsen. Außerdem stimmte die Chemie nicht in der Mannschaft.“ Der legendäre Udo Lattek übernimmt dann das Kommando, und rettet gemeinsam mit Matthias Sammer den BVB vor dem Absturz.

Krauss hatte zwar finanziell weitgehend ausgesorgt, als Trainer war er aber nur noch im Ausland gefragt. Die Odyssee führte ihn zu kurzen Engagements nach Mallorca, zu Aris Thessaloniki, Wacker Mödling, Damash Gilan (Iran), Baniyas (Vereinigte Arabisch Emirate), CD Teneriffa, Schwadorf (Österreich) oder Sportive du Sahel (Tunesien). „In mir hat immer das Feuer gebrannt, aber in Deutschland war ich als Trainer nicht mehr erwünscht. Mein Ruf hatte schwer gelitten. Ich habe vergeblich auf einen Anruf gewartet. Manchmal hatte ich das Gefühl, mir fällt die Decke auf den Kopf.“ Doch hat Krauss die schwierige Phase gut gemeistert. Die wirtschaftliche Unabhängigkeit und seine positive Lebenseinstellung haben ihm geholfen, längst sieht er den Dortmund-Crash mit der Gelassenheit eines Sechzigers in spe.

Heute ist er als Scout im Auftrag einer Sportmanagement-Agentur (Coaches & More) viel unterwegs, beobachtet Fußball-Talente und ist zufrieden. Sein größtes Match hat er vor 22 Jahren aber selbst gewonnen: das Pokalfinale in Berlin, als der Reichstag verhüllt war.