Der Moment als ter Stegen den Ball um den Torpfosten lenkte

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Mönchengladbach. Der atemberaubende Höhenflug von Borussia Mönchengladbach in der Fußball-Bundesliga setzt sich fort. Die Mannschaft von Cheftrainer Lucien Favre feierte am 15. Spieltag mit dem 2:1 (2:1)-Triumph gegen Schalke 04 nicht nur den achten Heimsieg sondern auch den sechsten Sieg in Serie. Solch einen Siegeszug hatte der VfL zuletzt vor 26 Jahren geschafft. Mit nunmehr 31 Punkten haben die Fohlen als Tabellenvierte bereits sieben Zähler Vorsprung auf Verfolger Schalke und dürfen sogar von der Qualifikationsrunde zur Champions League träumen.

Schiedsrichter Felix Zwayer hatte bereits signalisiert: Gleich pfeife ich dieses Spiel ab — da kamen die Gäste aus Gelsenkirchen noch einmal brandgefährlich vor das Gladbacher Tor. Den Fohlen-Fans stockte der Atem, als der Ball hoch in den Gladbacher Strafraum flog, Schalkes Boateng sich hochschraubte und die Kugel perfekt per Kopf ins linke untere Eck platzierte.

Für einen Sekundenbruchteil hatten viele Zuschauer den Ball schon im Tor zappeln sehen, doch VfL-Keeper Marc-André ter Stegen lenkte den Ball mit all seiner Klasse doch noch um den Pfosten, verhinderte den Last-Minute-Ausgleich. Eine Wahnsinns-Tat des jungen Gladbacher Schlussmannes. Trainer Lucien Favre gestand später: „Ich habe draußen gestanden und gedacht: Scheiße, der Ball ist drin. Damit hatte ich nicht mehr gerechnet, dass Marc noch an den Ball herankommt.“

Nach ter Stegens Parade jubelten die VfL-Treuen zunächst voller Erleichterung, um wenige Augenblicke später den achten Heimsieg in Serie ausgelassen feiern zu können. Und so mancher musste erst einmal kräftig durchschnaufen. Die packende, emotionsgeladene und mitreißende Schlussphase im West-Kracher hatteSpielern, Verantwortlichen und auch den Fans aus beiden Lagern alles abverlangt…

Es lief die 24. Spielminute, als durch den rappelvollen Borussia-Park urplötzlich ein Orkan der Begeisterung fegte. Verantwortlich dafür zeichnete sich Borussias Offensiv-Genie Raffael. Der Brasilianer hatte wunderbar den Ball angenommen, dann ganz geschmeidig zwei Schalker Spieler stehen lassen und schließlich mit links die Kugel aus rund 22 Metern in den Winkel gehämmert.

Rumms - 1:1, Raffael hatte mit diesem Traumtor gegen seinen Ex-Klub Schalke die Fohlen zurück in die Partie gebracht. Überhaupt zählte „Raffa“ zu den stärksten Borussen an diesem Tag, war immer brandgefährlich und stellte die Schalker Defensive vor gehörige Probleme.

Nach dem Schlusspfiff sagte Raffael mit einem zufriedenen Lächeln: „Es war mein erstes Tor und mein erster Sieg gegen eine Ex-Mannschaft. Das war ein sehr wichtiges Spiel für uns, umso schöner ist es, dass wir gewonnen haben. Momentan läuft es einfach gut bei mir und der Mannschaft. Eine solche Siegesserie habe ich noch nie erlebt. Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir in der Tabelle auf Platz vier stehen - aber es liegen noch viele Spiele vor uns.“

Ein Pfiff von Felix Zwayer kurz vor der Halbzeit — und die Schalker verstanden die Welt nicht mehr. Der Unparteiische zeigte zum Erstaunen von Königsblau auf den Elfmeterpunkt. Und es war eine vollkommen korrekte Entscheidung Zwayers, wie die TV-Analyse später zeigte. Schalkes Höwedes hatte einen Schuss von Gladbachs Nationalspieler Max Kruse mit dem Arm abgeblockt.

Ob gewollt oder nicht - Höwedes hatte den Arm in einer Höhe, wo er eigentlich nicht hingehört und so einen klare Torchance verhindert. Hätte er den Ball nicht mit dem Arm geblockt, Kruses Schuss hätte S04-Keeper Fährmann mit Sicherheit vor erhebliche Probleme gestellt. Höwedes, der zuvor bereits verwarnt gewesen war, sah dazu noch die gelb-rote Karte, so dass Schalke nicht nur das 1:2 durch Kruse hinnehmen sondern fortan auch in Unterzahl spielen musste.

Das stieß Knappen-Trainer Jens Keller noch nach dem Schlusspfiff sauer auf. Für Keller hätte bereits beim ersten Elfmeter für Schalke Borussias Rechtsverteidiger Julian Korb die rote Karte sehen müssen. Korb hatte Boateng gehalten und so verhindert, dass dieser den Ball über die Linie köpfen konnte. „Für mich eine rote Karte“, so Keller wütend. Das sah sein Kollege Lucien Favre allerdings anders. „Ich denke, Elfmeter und Gelb waren in dieser Situation angemessen.“

Die 54 010 Zuschauern im ausverkauften Borussia-Park bekamen ein unterhaltsames und teilweise sogar hochdramatisches Westderby mit Chancen auf beiden Seiten geboten. Borussia erarbeitete sich die ersten Gelegenheiten.

Bei Arangos Freistoß (6.) war Schalke-Keeper Fährmann auf dem Posten, Wendts Distanzschuss ging weit über das Tor (9.). Schalke schlug dann mit dem ersten guten Angriff gleich zu. Farfan legte Boateng den Ball auf, doch Korbs Foulspiel verhinderte die Führung. Den fälligen Strafstoß verwandelte Farfan bombensicher zum 1:0 (17.). Borussia zeigte sich allerdings alles andere als geschockt.

Raffael lieferte acht Minuten später die passende Antwort. Mit einer sehenswerten Einzelleistung verschaffte er sich den nötigen Raum, um den Ball aus über 20 Metern wunderschön in den Winkel zu hämmern. Ein Treffer der Marke „Tor des Monats“. Kurz darauf verhinderte Fährmann das 2:1 für die Fohlen, als er einen Kopfball von Stranzl in letzter Sekunde abwehren konnte.

Vor der Pause die entscheidende Szene: Nach einem Arango-Pass konnte sich Borussias Nationalspieler Kruse im Schalker Strafraum lösen, einen Schuss abfeuern, den Höwedes mit dem Arm über das Tor lenkte. Den fälligen Handelfmeter verwandelte Kruse sicher zur Pausenführung (45+1.).

Nach dem Seitenwechsel waren dann zunächst die Fohlen wieder am Drücker. Raffael traf nach feiner Kombination zum vermeintlichen 3:1 (52.) - stand aber knapp im Abseits. Zwei Minuten später hatte Herrmann das 3:1 auf dem Fuß, doch der Fohlen-Flitzer drosch freistehend den Ball über die Querlatte.

In der 56. Minute die nächste Großchance für Herrmann - Fährmann ist auf dem Posten. Dann sind die Schalker am Zug. Meyer zieht aus der Distanz ab, ter Stegen pariert stark (62.). Auf der anderen Seite ein Gladbacher Konter, doch Raffaels Kopfball (78.) war für Fährmann kein Problem. Herrmann hätte dann vorzeitig alles klar machen müssen, doch Fährmann (81.) war erneut zur Stelle.

Als dann ter Stegen in der Nachspielzeit einen Boateng-Kopfball entschärfte, war Borussias achter Heimsieg in Serie aber perfekt.