Neuzugang über seine Stärken Gladbachs Philipp Sander: „Ich habe die Gier“

Interview | Mönchengladbach · Mit 26 Jahren ist Philipp Sander in der Bundesliga angekommen. Gladbachs Zugang von Holstein Kiel im Interview über seine Entscheidung, seine Stärken und seine Position.

Philipp Sander feierte seine Bundesliga-Premiere für Borussia Mönchengladbach beim Auftaktspiel gegen Meister Bayer Leverkusen.

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Bereits im vergangenen Frühjahr hatte sich Borussia Mönchengladbach für die festgeschriebene Ablösesumme von rund einer Million Euro die Dienste von Philipp Sander gesichert. Am 1. Juli wechselte der zentrale Mittelfeldspieler dann von Holstein Kiel zu den „Fohlen“, bei denen er einen Vertrag bis 2028 unterschrieb. Sander gilt als Spätzünder, erst nach einer Ausleihe an Drittligist SC Verl für die Saison 2020/21 setzte sich der gebürtige Rostocker im Alter von 23 Jahren bei der KSV Holstein durch. Vergangene Saison führte der inzwischen 26-Jährige die „Störche“ als Kapitän zum ersten Bundesliga-Aufstieg eines Vereins aus Schleswig-Holstein und wurde vom Fachmagazin „kicker“ sogar noch vor Jackson Irvine vom FC St. Pauli zum besten defensiven Mittelfeldspieler der zweiten Liga gewählt.

Herr Sander, Sie haben sich sehr früh für die Borussia entschieden. Hatten Sie Zweifel am Kieler Aufstieg und bereuen Sie nun, dass Sie nicht mit der KSV Holstein Bundesliga spielen können?

Philipp Sander: Mit der Situation in Kiel hatte meine Entscheidung absolut nichts zu tun, sie war völlig unabhängig von einem möglichen Aufstieg. Ich wusste, dass wir eine gute Mannschaft sind und es schaffen können, wenn wir konstant unsere Leistung bringen. Das haben wir gemacht und ich bin sehr froh darüber, dass dies zum Aufstieg geführt hat. Dennoch bereue ich den Wechsel nicht, ich habe mich ganz bewusst für ihn entschieden. Ich hatte Bock auf eine neue Herausforderung.

Platz 14 war aber sicher kein Punkt für die Borussia. Mit welchen Argumenten konnte der Verein Sie überzeugen?

Sander: Der frühe Zeitpunkt in der Saison hat mir signalisiert, dass das Interesse an mir wirklich groß ist. Zudem verbinde ich mit der Borussia eine Art Fußball zu spielen, die mir gefällt. Diese Art wird sich nicht groß ändern – egal, wo man in der Tabelle steht. Es ist eben die DNA dieses Vereins und mit der kann ich mich identifizieren. Insofern musste eigentlich gar nicht so viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.

Was für ein Typ erwartet die Fans von Mönchengladbach?

Sander: Ein ganz normaler. Ich bin keiner, der sich ins Schaufenster stellt. Meine Freizeit verbringe ich gerne mit Freunden, und auf dem Platz gebe ich immer einhundert Prozent.

Dennoch diskutieren die Anhänger natürlich über die Zugänge. Mit welchen Qualitäten können Sie der Borussia helfen, wo liegen Ihre Stärken und wo sehen Sie gerade mit Blick auf Ihre erste Saison in der Bundesliga Verbesserungspotenzial?

Sander: Das Bundesliga-Niveau kann ich noch gar nicht richtig einschätzen. Das wird sicher auch ein Lernprozess, der über die gesamte Saison stetig weitergehen wird. Grundsätzlich spielt sich auf höherem Niveau viel mehr im Kopf ab. Es gilt, schneller Entscheidungen zu treffen, weil die Gegner einem weniger Zeit dazu geben. Daran werde ich wohl am meisten arbeiten müssen. Was ich aus der zweiten Liga mitbringe, ist eine gute Physis. Ich werfe mich in Zweikämpfe rein und habe die Gier, den Ball zu erobern. Dies ist ja gerade auf meiner Position ein großer Teil des Jobs. Aber ich kann auch recht ordentlich öffnende Pässe spielen, da ich eine gewisse Ruhe besitze. Ich werde nicht sofort nervös, wenn ich Gegnerdruck bekomme. Dennoch kann und werde ich mir natürlich noch viel von der Qualität meiner neuen Mitspieler abschauen.

Die zentrale defensive Position vor der Abwehr gilt im Fußball aktuell als die wichtigste. Thomas Tuchel forderte einst in München einen starken „Sechser“, auch bei der Borussia wurde oft über das Fehlen eines aggressiven Abräumers gesprochen. Warum ist diese Position so elementar?

Sander: Ob es die wichtigste Position ist, möchte ich nicht beurteilen. Aber sie besitzt auf jeden Fall einen großen strategischen Wert. Es gilt, sehr viel vorauszudenken und Situationen früh zu erkennen, um mögliche Konter zu unterbinden. Bei Ballbesitz sind zudem viele eventuelle nächste Spielzüge als Optionen in Erwägung zu ziehen. Die Wichtigkeit ist also schon auf Grund der höheren Ballbesitzzeiten gegenüber einem Stürmer gegeben. Wer auf dieser Position spielt, hat eine tragende Rolle. Es wird ja gesagt, dass das Zentrum das Herz des Spiels sei. Da ist durchaus etwas dran.

In der vergangenen Saison war Granit Xhaka auf dieser Position der vielleicht wichtigste Baustein des Leverkusener Erfolges. Taugt er für Sie als Vorbild oder sind Sie mit ihren 26 Jahren aus der Zeit der Idole herausgewachsen?

Sander: Also dieses eine Idol habe ich nie gehabt. Ich kann mich einfach für das Fußballspiel begeistern und zolle dementsprechend allen den größten Respekt, die auf höchstem Niveau Top-Leistungen bringen. Natürlich beobachte ich Spieler, die auch auf meiner Position agieren, um mir Dinge abzugucken. Xhaka ist da sicherlich einer, bei dem ich genauer hinschaue. Aber insgesamt möchte ich die Stile von vielen möglichen Vorbildern zu meinem eigenen Stil vereinigen.

In den vergangenen vier Jahren hat die Borussia stets sehr viele Gegentreffer hinnehmen müssen. Warum ändert sich das mit Ihnen?

Sander: Es macht keinen Sinn, irgendwelche Parolen zu schwingen. Es zählt allein die Leistung auf dem Platz, nichts anderes. Ich weiß zwar schon, dass ich über Qualitäten verfüge – ich weiß allerdings auch, dass ich mir Zeit geben muss, um dazuzulernen. Folglich bin ich mit Sicherheit nicht der Heilsbringer und alleine schon mal gar nicht. Zum Verteidigen gehört ein Team, ein Plan sowie der Wille, als gesamte Mannschaft zu verteidigen. In dieser Hinsicht haben wir in der Vorbereitung meiner Meinung nach eine gute defensive Kompaktheit erarbeitet. Diese muss sich jetzt auch im Ernstfall bewähren und ich hoffe, dass ich einen großen Teil zu ihr beitragen kann.