Marco Reus hält Gladbachs Hoffnung wach
Mit dem 1:0 in Hannover rückt Borussia näher an den Relegationsplatz heran. Stefan Effenberg kündigt Sportbeirat an.
Hannover. Der Mann ist ein Überzeugungstäter. Von Balleroberung, Ballbesitz und Detailarbeit sprach Lucien Favre bei seinem Dienstantritt vor elf Wochen. Er sollte schaffen, was kaum jemand für möglich hielt: Borussia Mönchengladbach vor dem dritten Abstieg nach 1999 und 2007 bewahren.
Zwölf Spiele Zeit hat er dafür, jetzt sind es noch zwei und die wochenlang für unrettbar erachtete Mannschaft ist wieder da. Sie lebt und siegt wieder. Nach 1:0-Erfolgen gegen Meister Dortmund und jetzt gegen den Tabellendritten in Hannover hat Gladbach den Rückstand zum Relegationsplatz auf zwei Punkte minimiert.
So nah dran an einer weiteren Zukunft in der Bundesliga war die Mannschaft seit Monaten nicht. Auch, weil ihr es erstmals in dieser Saison gelang, zwei Siege in Folge einzufahren.
In der Liga galt Trainer Favre seit seiner Zeit bei Hertha BSC als einer, dessen Qualität es bisher gewesen war, ein Team über Jahre zu entwickeln. Jetzt scheint es, als finde er sich auf Anhieb im Abstiegskampf derart gut zurecht, dass eine beinahe ausweglose Mission zu einem glücklichen Ende geführt werden kann. „Für uns ist egal gegen wen wir spielen. Wir müssen unsere Punkte machen“, sagt Favre nach dem ersten Sieg in Hannover seit 22 Jahren. „Sonst sind wir tot.“
16 Punkte hat die Mannschaft unter Favre in zehn Rückrundenspielen geholt, 22 Zähler in der gesamten Rückrunde bisher — Platz acht. Die mageren zehn Punkte der Hinserie sind die Hypothek dieser Mannschaft, die unter Favre jedoch den Glauben an sich und das Vertrauen in ihr Können zurückgefunden hat und wieder konkurrenzfähig ist.
Und so antwortete Favre beinahe wie selbstverständlich auf die Frage, ob er überzeugt gewesen sei, das die Mannschaft Dortmund und Hannover hätte besiegen können. „Ja, das war ich“, sagte der Schweizer, um gleich die Begründung zu liefern: „Sonst hätte ich die Mannschaft nicht überzeugen können. Wir können jeden schlagen.“
Diese Überzeugung vermittelt auch Matchwinner Marco Reus, der zum tragischen Helden zu werden schien. Gleich reihenweise vergab der mit neuen Treffern beste Gladbacher Torschütze in dieser Saison die Großchancen bei Hannover 96. Erst nach vier vergeblichen Versuchen (28./ 34./ 53./ 63.) war Reus im fünften Anlauf mit seinem Weitschuss zum Siegtor (76.) erfolgreich.
„Wir haben alle den Glauben, dass wir es packen. Ich hätte noch viel mehr Tore machen müssen, bin aber froh, das eine gemacht zu haben“, sagte er nach seinem Traumtor nach 76 Minuten. Torhüter Marc-André ter Stegen, für den das Spiel eine einzige große Party am Tag seines 19. Geburtstag war, sah das ähnlich: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gladbach in die 2. Liga geht.“ Auch Kapitän Filip Daems sagte voller Zuversicht: „Der Glaube ist da. Wir geben nicht auf.“
Gladbach präsentierte sich als Einheit, die geduldig auf ihre Chance im Angriff wartete. Und sich auch von den klubinternen Machtkämpfen durch die Ankündigung von Stefan Effenberg, Sportdirektor Max Eberl beerben zu wollen, nicht beeindrucken ließ. Die rund 3000 mitgereisten Gladbacher Fans feierten ihr Team und zeigten Effenberg per Spruchband, was sie von seinem Vorhaben halten: „Tiger, du hast falsche Freunde.“
Effenberg kündigte an, dass ihn ein Sportbeirat unterstützen werde, dessen Mitglieder er morgen vorstellen wird. Die Mitarbeit von Horst Köppel bestätigte er gestern. Zu Thomas Ludwig, dem Vertreter des Fanprojekts, das gegen die „Übernahme“ des Klubs durch die Initiative Borussia mit Effenberg als Kopf ist, sagte er im Sky-Studio: „Ich reiche Euch die Hand.“
Gladbachs Sportvorstand Rainer Bonhof brachte Effenberg indes in die Bredouille. Bonhof habe ihn vor längerer Zeit bei einem Spiel in der Halbzeit aufgefordert, im Klub mitzumachen, und habe zu ihm gesagt: „Pack’ hier mit an.“ Präsident Rolf Königs hatte vor vier Jahren hingegen ein Angebot Effenbergs zur Mitarbeit ausgeschlagen.