Netzer schwärmt vom Gladbacher „Tiki Taka“
Stuttgart (dpa) - Der schmeichelhafte Vergleich mit dem FC Barcelona rang Lucien Favre nur ein mildes Lächeln ab. „Aber bitte“, sagte Borussia Mönchengladbachs Trainer nach dem souveränen 3:0 (1:0) beim bisherigen Angstgegner VfB Stuttgart.
Der katalanische Kult-Club mit seinen Ausnahmekickern Lionel Messi, Xavi oder Andrés Iniesta bleibt für die Rheinländer wohl für immer außer Reichweite. Aber das direkte, schnelle und präzise Passspiel der Borussen ähnelt doch verblüffend dem schwindelerregenden spanischen „Tiki Taka“. Günter Netzer traut seinen Nachfolgern sogar eine Sensation zu. „Am Ende können auch sie Meister werden“, sagte die Vereinslegende.
Favre, der aus dem fast sicheren Absteiger binnen weniger Monate einen Meisterschaftsaspiranten geformt hat, weiß, dass er die Qualität seines Teams nur noch um Nuancen steigern kann. „Es wird schwer, besser zu spielen“, sagte der Schweizer nach seinem 50. Sieg in der Fußball-Bundesliga. „Wir können noch ein paar Details verbessern, uns da weiter entwickeln.“
Was die individuelle Klasse anbelangt, kann der Tabellenvierte mit den weitaus prominenter bestückten Kadern von Bayern München, Borussia Dortmund und FC Schalke 04 nicht konkurrieren. Diesen Nachteil gegenüber dem nur einen Punkt vor ihm liegenden Spitzentrio gleicht Gladbach durch beeindruckende Geschlossenheit, spielerische Reife und einen fast schon perfektionierten Konter-Fußball aus. Netzer schwärmte im Interview der Tageszeitung „Die Welt“: „Es ist eine pure Freude, ihnen zuzuschauen.“ Der ehemalige Spielmacher lobte die „wunderbare Organisation der Mannschaft“ und bescheinigte ihr, auf „verdammt hohem Niveau“ zu spielen.
„Wir spielen als Team überragend, das ist unsere Stärke“, erklärte der nicht nur wegen seines zwölften Saisontores (81. Minute) stark auftrumpfende Marco Reus. „Jeder kämpft für den anderen.“ Ein weiteres Plus ist der problemlose Personalwechsel. Igor de Camargo ersetzte den mit einem schmerzhaften Pferdekuss ausgewechselten Mike Hanke nahtlos und erzielte das 3:0 (84.) zum in dieser Höhe verdienten Sieg. Auch wenn es kaum vorstellbar scheint, sind die Borussen ein ernsthafter Titelkandidat, sofern sie diese Klasse konservieren können.
Für die Mannschaft ist die Meisterschaft indes kein Thema. „Wir schauen sehr gerne auf die Tabelle und sind glücklich, dass wir oben dabei sind. Aber wir wissen auch, wo wir herkommen, und dass wir keine Spitzenmannschaft sind“, betonte Hanke, der Schütze des 1:0 (31.). „Deswegen sind wir realistisch und fangen nicht an, von der Meisterschaft zu träumen.“ Abwehrchef Dante versicherte: „Trotz des Siegs sprechen wir nicht von den internationalen Plätzen, denn die Saison ist noch sehr lang. Wir dürfen nicht anfangen zu träumen.“
Favre rückt von seiner Marschroute, „von Spiel zu Spiel“ zu denken, trotz der guten Ausgangsposition nicht ab. Seine Schützlinge folgen ihm bei dieser verbalen Defensivstrategie sogar wortgleich. „Wir gucken wirklich nur von Spiel zu Spiel“, versicherte Nationalspieler Reus. „Wir freuen uns über den Sieg, das ändert aber nichts an unserer Denkweise.“
Gründlich umdenken müssen dagegen die schwachen, phasenweise konfus wirkenden Stuttgarter. Nach nur einem Punkt aus den zurückliegenden sechs Partien zeigt der Trend steil abwärts. „Wir müssen schauen, dass wir nicht nach unten rutschen in die Abstiegszone“, sagte Torhüter Sven Ulreich, der mehrfach eine höhere Schlappe verhinderte. Für Trainer Bruno Labbadia könnte es bei anhaltender Talfahrt eng werden, auch wenn VfB-Manager Fredi Bobic betonte: „Labbadia ist kein Thema. Wir sind überzeugt von ihm.“