BVB im Stimmungstief - Lewandowski: „Scheiß Situation“
Dortmund (dpa) - Selbst der für sein rhetorisches Geschick bekannte Reinhard Rauball verzichtete auf ermutigende Worte. Die depressive Stimmung in der Dortmunder Kabine ging auch dem Vereinspräsidenten nahe.
„Ich habe den Spielern gar nichts gesagt und nur die Hand geschüttelt. Niedergeschlagen wie sie waren, hätte alles andere keinen Sinn gemacht“, kommentierte er wenige Minuten nach dem 0:1 (0:1) im Vize-Gipfel gegen Bayer Leverkusen. Mitfühlend fügte Rauball an: „Die können im Moment nicht mal Trost gebrauchen.“
Nach einer berauschenden Phase mit zwei Meisterschaften, einem Pokalsieg und dem Einzug in das Champions-League-Finale ist die heile BVB-Welt ins Wanken geraten. Zwei Heimniederlagen in den Top-Duellen mit den nunmehr zehn Punkte enteilten Bayern und die sechs Zähler entfernten Leverkusener wecken Zweifel, ob die Stellung als zweite Kraft des nationalen Fußballs in dieser Saison zu halten ist. Nicht nur der Blick auf die Tabelle, sondern auch der Blick auf die lange Liste mit verletzten Profis bereitet Kopfzerbrechen. Torjäger Robert Lewandowski wählte deutliche Worte: „Wir befinden uns in einer Scheiß-Situation.“
Als wäre die Personalnot nicht schon groß genug, kamen in Sven Bender und Nuri Sahin zwei Patienten hinzu. Während Bender mit einer Innenbanddehnung am rechten Sprunggelenk im wichtigen Gruppen-Endspiel in der Champions League am Mittwoch bei Olympique Marseille definitiv fehlen wird, besteht bei Sahin noch Hoffnung. Der Mittelfeldspieler erlitt einen Außenbandteilriss am rechten Sprunggelenk. Laut BVB-Mitteilung sei ein Einsatz am Mittwoch nicht ausgeschlossen. Die anhaltende Pechsträhne setzte auch BVB-Trainer Jürgen Klopp mächtig zu: „Das ist sehr, sehr tragisch. Ich muss mir keine Gedanken machen, was wir besser machen können, wenn ich nicht weiß, mit wem wir es besser machen können.“
Bereits in der Partie gegen Leverkusen, die Bayer-Angreifer Heung-Min Son mit seinem Treffer in der 18. Minute entschied, hatten vier Nationalspieler gefehlt. Weitere Ausfälle machen wenig Mut für die Partie in Marseille, in der die Borussia aus eigener Kraft nur mit einem Sieg das vorzeitige Aus in der europäischen Königsklasse abwenden kann. Ansonsten wäre Schützenhilfe des FC Arsenal in der Partie gegen den SSC Neapel nötig. Torhüter Roman Weidenfeller hofft, dass die dezimierte Mannschaft bis zum Ende der Hinrunde von weiteren Rückschlägen verschont bleibt: „Es wird Zeit, dass Weihnachten wird. Dann können wir durchschnaufen und in der Rückrunde wieder angreifen.“
Wie schnell es im Sport wieder nach oben gehen kann, stellten die Leverkusener in den vergangenen Tagen unter Beweis. Nur eineinhalb Wochen nach der mit viel öffentlicher Häme bedachten 0:5-Schlappe in der Champions League gegen Manchester United herrscht wieder prächtige Stimmung. „Wenn man sich vorstellt, dass wir vor zehn Tagen noch am Boden lagen, ist das bemerkenswert“, befand Rudi Völler. Die Freude des Sportchefs über den Imagegewinn für die landesweit chronisch unterschätzte Werkself war unverkennbar: „Es war wichtig, Deutschland zu zeigen, dass wir auch in solchen Spielen mithalten können.“
Bisher standen die Bayer-Profis im Ruf, in Spitzenpartien vor Ehrfurcht zu erstarren. Doch der Respekt hielt sich diesmal in Grenzen. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir mal so viele Zweikämpfe verloren haben“, bekannte BVB-Coach Klopp. Aus dem von vielen Experten prognostizierten Zweikampf zwischen dem FC Bayern und dem BVB ist ein Zweikampf zwischen München und Leverkusen geworden. Zum Vergnügen von Abwehrspieler Emre Can: „In den vergangenen Monaten habe ich viel über die Bayern und über Dortmund gelesen. Jetzt liegen wir sechs Punkte vor der Borussia.“