Der Fall Serdar T.: Viel Ärger um ein Knie
Stuttgart (dpa) - Nach 21 Minuten war schon wieder Schluss. Serdar Tasci griff sich nach einem Zweikampf mit Stürmer Sebastian Polter vom FSV Mainz 05 ans Bein, humpelte und signalisierte schließlich, dass es nicht mehr weitergeht.
Mit der Szene beim mit 2:3 missglückten Saisonauftakt des VfB Stuttgart vor knapp zwei Wochen begann der Knie-Fall des schwäbischen Kapitäns. Denn über die Behandlung der diagnostizierten Verletzung samt mehrwöchiger Pause entbrannte ein Disput zwischen Spieler und Verein.
Die medizinische Untersuchung des Stuttgarter Innenverteidigers ergab in der Folge einen Einriss des Außenmeniskus im linken Knie. Keine besonders seltene Verletzung für einen Bundesligaprofi, aber eine in ihrer Therapie durchaus diskutable. Denn entgegen der Empfehlung der Ärzte des Fußball-Bundesligisten entschied sich der 26-Jährige für eine konservative Behandlung.
Und das brachte Sportvorstand Fredi Bobic in Rage. „Der Spieler hat es so entschieden“, sagte er verstimmt vor dem Heimspielauftakt gegen Bayer Leverkusen (0:1). „Der Verein sieht das anders.“ Die VfB-Ärzte hätten für eine Arthroskopie gestimmt, also einen operativen Eingriff.
„Eine Operation ist für mich immer die letzte Option, auch wenn es in diesem Fall wohl üblich bei Fußballern ist, dass eine Arthroskopie gemacht wird“, entgegnete Tasci in der „Bild“-Zeitung. „Bei einer Arthroskopie würde ich wohl vier bis sechs Wochen ausfallen, aber es wäre nicht gewährleistet, dass der Meniskus danach wieder komplett hergestellt ist.“
Tasci lässt sich schon seit Jahren von Mohamed Khalifa betreuen. Der Ägypter zählte in seiner Praxis im österreichischen Hallein etwa Boris Becker oder Franziska van Almsick zu seiner Klientel und setzt auf ein „Heilen ohne zu schaden“, sprich: operiert wird nicht.
„Wir wünschen alles Gute und hoffen, dass es funktioniert“, sagte Bobic und beteuerte: „Jeder Spieler kann andere Wege gehen. Wir gehen diese Wege auch mit.“ Die Verletzung Tascis wird für den VfB und Mannschaftsarzt Raymond Best durch die alternative Therapie allerdings zu einer Unbekannten. Denn eine Arthroskopie macht in der Regel eine vierwöchige Pause notwendig. Jetzt kann es bei Tasci, der sich in der Vergangenheit immer wieder mit Achillessehnenproblemen herumschlagen musste, kürzer oder auch länger dauern.
„Ich kann daran nichts mehr ändern“, sagte Coach Bruno Labbadia zu der Causa. Tasci hatte sich auch mit ihm ausgetauscht. Der Trainer steht in den kommenden Wochen aber erstmal ohne seinen Kapitän und auch ohne seinen zweiten etatmäßigen Innenverteidiger Georg Niedermeier da. Denn der 27-Jährige wird nach einem Innenbandriss im linken Knie wohl erst Anfang September wieder dabei sein.
Auf einen Nachkauf will Bobic vorerst verzichten. Das Vertrauen in Daniel Schwaab, Antonio Rüdiger und Benedikt Röcker ist groß genug. Einen Überblick über potenzielle Innenverteidiger wird Bobic aber haben. Denn nicht erst seit Sommer 2012 gilt Tasci als möglicher Abgang. Damals hatte sich ein früherer Bekannter als Berater des seit 1999 für den VfB kickenden Profis ausgegeben - und Gerüchte über einen Wechsel zum AC Mailand und FC Barcelona geschürt. „Ich hab' alles gelesen und musste ein paar Mal lachen“, meinte Tasci.
Der Vertrag des 14-maligen Nationalspielers, dessen letzter Einsatz im DFB-Dress allerdings vom 11. August 2010 beim 2:2 gegen Dänemark datiert, läuft noch bis zum Sommer des kommenden Jahres. Um noch einige Millionen Ablöse mit Tasci zu erwirtschaften, wäre also Tempo geboten. Oder der VfB einigt sich mit Tasci, an dem im April der türkische Erstligist Fenerbahce Istanbul Interesse bekundet hatte, auf einen neuen Vertrag. Knie-Fall hin oder her.