Die „Schleicher“ aus Leverkusen - Bender: „Gekrochen“
Leverkusen (dpa) - Bayer Leverkusen hat den Verfolgerrang hinter Bayern München nicht nur behauptet, sondern den Abstand zu Dortmund, Schalke und Frankfurt vergrößert. Das 1:0 gegen Nürnberg war nicht nur viel Wert.
Es zeigte eine neue Qualität der Werkself: Sich durchbeißen können.
Der Höhenflug von Leverkusen lockte Rudi Völler aus der Reserve. „Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, woanders zu arbeiten und fühle mich pudelwohl“, sagte der Sportdirektor nach dem 1:0 (1:0) gegen den 1. FC Nürnberg im ZDF-Sportstudio und setzte bei seiner ungewöhnlichen Liebeserklärung an den Werksclub noch einen drauf: „Das Bayer-Kreuz habe ich fast auf die Brust tätowiert.“ Völler hatte allen Grund zur Freude. Mit dem Arbeitssieg gegen die Franken behauptete Bayer nicht nur die Position als erster Verfolger des FC Bayern, sondern baute den Vorsprung auf Dortmund und Schalke aus.
„Wir sind die Schleicher der Liga. Am Anfang waren wir nicht so richtig drin und sind peu á peu nach oben gekrochen“, meinte Nationalspieler Lars Bender zu dem fast heimlichen Aufstieg in der Fußball-Bundesliga. „Jetzt stehen wir oben und wollen da nicht so schnell wieder weg.“ Deshalb wollen die Leverkusener bis zur Winterpause auch bei Hannover 96 und gegen den Hamburger SV nichts anbrennen lassen. „Wenn wir nach der Rückrunde noch auf Platz zwei stehen, wäre das sagenhaft“, sagte Cheftrainer Sascha Lewandowski.
Mit dem Erfolg ist das Selbstbewusstsein beim oft als „Vizekusen“ verspotteten Club gewachsen. „Wenn man zum Ende der Hinrunde da oben steht, ist das kein Zufall. Das haben wir uns hart erarbeitet und verdient“, befand der Coach, dessen Team vier Siege in Serie gelangen. Er warnte aber auch: „Man tut gut daran, die Situation nicht zu überschätzen.“
Der knappe wie glückliche Erfolg in einem „Schweinespiel“ wie gegen Nürnberg zeigte indes eine neue Qualität der einstigen Schönspieler vom Rhein. „Bei der hohen Spielbelastung kann man nicht immer Topfußball spielen, da muss man sich mal durchbeißen. Auch das ist eine Form von Qualität“, urteilte Lewandowski. „Drei erkämpfte Punkte zählen genauso viel wie drei erspielte“, ergänzte Bender. „Unser Kennzeichen ist, dass wir uns die Spiele nicht mehr nehmen lassen und Führungen auch mal über die Zeit schaukeln.“
Das Gerede vom neuen Bayern-Verfolger ist den Leverkusenern momentan aber nicht recht. „Man muss ruhigbleiben mit dem Ganzen“, sagte Stürmer Stefan Kießling, der mit seinem eigentlich irregulären neunten Saisontreffer (37.) den Sieg sicherte. „Zur Spitzenmannschaft fehlt noch vieles, doch wir entwickeln uns dahin und wollen eine werden“, urteilte Gonzalo Castro.
Dazu gehört auch eine gute Portion Glück wie beim Abseitstor von Kießling. „Ich stand mit einem Fuß im Abseits, aber Hauptsache, das Tor zählt“, sagte der Ex-Nürnberger. Bei den Gästen ärgerte man sich über den Fauxpas von Referee Markus Schmidt, sah ihn aber nicht als einzige Ursache für die Niederlage. „Dass ein Schiedsrichter etwas übersieht, passiert immer wieder“, meinte Club-Coach Dieter Hecking. „Auch wenn ein Meter Abseits schon nicht mehr knapp ist. Das ist wie zehn Kilometer Stau.“
Die Hauptschuld trügen aber seine Spieler. „Am meisten ärgert mich, dass die Mannschaft nicht erkannt hat, dass viel, viel mehr heute drin war“, schimpfte Hecking, der vor der nächsten Partie gegen Fortuna Düsseldorf erstmal ein paar Tage ausfällt. Am Montag wird er wegen eines Knorpelschadens am Knie operiert. „Am Dienstag werde ich sicher nicht da sein, ich weiß nicht, ob es am Mittwoch wieder geht“, erklärte er. Geplant war der Eingriff erst in der Winterpause, „aber das Knie wird immer wieder dick, deshalb kann ich es nicht mehr weiter aufschieben“.