Hannovers Plan beim HSV: Ausbüxen aus der Auswärtsfalle
Hamburg (dpa) - Das Nordderby in der Fußball-Bundesliga hat einen herben Charme: Dauer-Nicht-Gewinner Hannover 96 beim Gegentor-Spitzenreiter Hamburger SV. Die Tabellenpositionen elf und 14 stehen für Mittelmaß.
Für beide geht es am Sonntag aber um mehr als nur Platzierungen.
Die Hamburger sind unter ihrem neuen Trainer Bert van Marwijk mit zwei Siegen und zwei Remis beachtlich gestartet, haben sich aus dem sportlichen Tal und dem Stimmungstief unter Trainervorgänger Thorsten Fink befreit. Zuletzt aber sind sie mit zwei Niederlagen ins Stocken geraten und haben so viele Gegentore (29) gesammelt wie keine andere Mannschaft. „Alles ist schwierig im Moment“, meint van Marwijk.
Die Hannoveraner warten seit sechs Partien, darunter vier Niederlagen, auf einen Sieg. Auswärts bringt 96 nichts auf die Reihe: fünf Spiele, fünf Niederlagen, 2:11 Tore. Da brächte eine weitere Schlappe Trainer Mirko Slomka in die verbale Schusslinie, auch wenn der Coach beteuert: „Für mich findet das Wort 'Krise' nicht statt. Das ist Bundesliga-Alltag.“ Deutlich offener gehen Präsident Martin Kind und Manager Dirk Dufner mit der Situation um. „Es macht keinen Sinn zu diskutieren. Die Mannschaft befindet sich in einer Krise“, klagt Kind und Dufner ergänzt: „Es ist ein wichtiges Spiel für uns. Die Situation ist bekannt.“
Hüben wie drüben ziehen Gewitterfronten auf. Gewinnen die Hamburger nicht, hat der Niederländer van Marwijk Mühe, die zuletzt gezeigten spieltechnischen Fortschritte seiner Mannschaft weiterhin zu würdigen. „Wir sind näher an den Top-Teams dran, als ich dachte“, meinte der 61 Jahre alte Coach unlängst. Die Präsentation auf dem Rasen ist in der Tat eine andere als beim Siechgang vor Monaten, aber letztlich müssen die Ergebnisse stimmen. „Wir müssen Disziplin haben. Wir dürfen nicht zu offen und übermütig sein“, rät der Coach seinen Mannen nach den jüngsten Niederlagen gegen Leverkusen und Gladbach.
Die Abstiegszone ist für den HSV jedenfalls näher als der sechste Platz, den Präsident Carl Jarchow unbeeindruckt als Saisonziel ausgibt. Auch da kann Hannover 96 mithalten. „Am Ziel Europa League halten wir weiter fest“, beteuert 96-Präsident Kind. HSV-Sportchef Oliver Kreuzer will sich mit der Forderung derzeit nicht beschäftigen. „Wir haben noch sechs brutal wichtige Spiele vor Weihnachten“, stöhnt Kreuzer. Beim nächsten Mal geht es zum Tabellenfünften Wolfsburg. 14 Tage darauf warten die Bayern.
In dieser „brutal wichtigen“ Phase sind die Hamburger kalt erwischt worden. Ohne den am Sprunggelenk verletzten Kapitän Rafael van der Vaart, der in diesem Jahr voraussichtlich nicht mehr spielen wird, fehlt das Kreativzentrum im HSV-Team. Mit sechs Toren und sechs Vorlagen ist der Niederländer unter van Marwijk bestens in Schuss gekommen. Gerade Leih-Torjäger Pierre-Michel Lasogga lebt von den Ideen des 30 Jahre alten Spiritus Rector im Hamburger Spiel.
Die Aufgabe wird voraussichtlich Hakan Calhanoglu übernehmen müssen. Der talentierte Türke ist mit seinen 19 Jahren Stammspieler bei den Hanseaten, stand aber bisher im Schatten seines prominenten Mittelfeld-Kollegen. „Ich sehe ihn lieber auf der linken Außenbahn“, meint Kreuzer über das Talent. Zudem muss auch der gesperrte Tolgay Arslan ersetzt werden. Ivo Ilicevic und Tomas Rincon sind Anwärter auf die freien Plätze. „Ich mag keine Wechsel. Das ist nicht meine Philosophie“, sagte van Marwijk der „Hamburger Morgenpost“. Unter seiner Ägide durften bislang nur 16 Profis ran. Dass er aber den genesenen Abwehrrecken Johan Djourou wieder zur Verfügung hat, wird ihn etwas trösten.