Hoeneß bei Sammer-Coup wieder an vorderster Front
München (dpa) - Der Patriarch vom Tegernsee macht noch einmal den Manager an vorderster Front. Manch einer in München raunt, Uli Hoeneß sei beim FC Bayern nach der Vize-Vize-Vize-Saison aktiver als jemals zuvor.
Zumindest war der Präsident und Aufsichtsratsvorsitzende die treibende Kraft beim Überraschungscoup mit Matthias Sammer, dem künftigen Sportvorstand des deutschen Fußball-Rekordmeisters und Nachfolger des blassen und am Ende auch glücklosen Sportdirektors Christian Nerlinger. „Deutliche Unterschiede in den Auffassungen über die Visionen und die Zukunft des FC Bayern“, nannte Hoeneß als Hauptgrund für die intern längst besiegelte Veränderung an der Nahtstelle zwischen Mannschaft, Trainer und Vereinsführung.
Nach den Trainer-Experimenten mit Jürgen Klinsmann und Louis van Gaal beweisen die Bayern-Bosse einmal mehr Mut mit der Anstellung von Sammer. Der streitbare Quereinsteiger kommt ohne Bayern-Stallgeruch an die Säbener Straße, wo er den ewigen Macher Hoeneß endlich auch als Abteilung Attacke ersetzen soll. Die Machtbefugnisse und der Status des bisherigen DFB-Sportdirektors sind schon beim Start größer als die seines Vorgängers beim vorzeitigen Ende: Der Europameister von 1996 und ehemalige Dortmunder Meistertrainer wird nicht einfach nur Sportchef. Der 44-jährige Sammer erhält „die Position des Sportvorstandes für Lizenzspielerangelegenheiten“, rückt damit auf Anhieb in den von Karl-Heinz Rummenigge angeführten Vorstand ein.
Spätestens nach dem verlorenen Champions-League-Finale war klar, dass gerade Hoeneß nach dem zweiten titellosen Jahr und der an Borussia Dortmund verlorenen nationalen Vormachtstellung handeln würde. In der Nacht nach dem Elfmeter-Desaster gegen den FC Chelsea war es der Präsident, der die klarsten Worte fand. „Auf die Dauer habe ich keine Lust, immer Platz zwei zu belegen. Das ist kein Zustand, den ich akzeptieren kann.“ Hoeneß hatte beim „grausamen“ Erlebnis im eigenen Stadion „ein paar Dinge gesehen, die mir nicht gefallen haben“. „Feuerkopf“ Sammer soll sie mit seiner zupackenden Art und seinem hohen Anspruchsdenken, das er als Spieler, Trainer und auch in sechs Jahren als DFB-Sportdirektor vorlebte, anpacken.
„Er ist kein Mann für 90 oder 95 Prozent, er ist ein Mann für 100 Prozent“, sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der Sammer aus seinem noch bis 2016 laufenden Vertrag beim Verband ziehen ließ. Er habe „gespürt“, dass der Sportdirektor in den schon während der Fußball-EM angelaufenen Gesprächen mit Hoeneß eine innerlich unverrückbare Entscheidung getroffen habe, anders als bei der Liebäugelei mit dem Hamburger SV Anfang 2011. „Jetzt war es der Rekordmeister, der ihn umgarnt hat“, gab Niersbach zu bedenken.
Es wird eine der spannendsten Geschichten der kommenden 50. Bundesligasaison sein, wie das Alphatier Sammer mit den Alphatieren Rummenigge und Hoeneß zusammenarbeiten wird. „Er ist ein unbequemer Geist, aber im positiven Sinne, ein Querdenker“, bemerkte Niersbach, der Sammer schon als ehrgeizigen Nationalspieler hautnah erlebt hatte.
Insbesondere Hoeneß ist nach der Verpflichtung von Sammer persönlich verpflichtet, wieder mehr in den Hintergrund zu treten. Der 60 Jahre alte Präsident hatte sich wieder ins Tagesgeschäft eingemischt. Er „fürchtet um sein Erbe“, kommentierte die Hoeneß nahestehende „Süddeutsche Zeitung“.
Mit der Personalie Sammer hat Hoeneß den Rekordmeister aus der Depression des Champions-League-Endspiels gerissen, im Club und im Umfeld ist eine Aufbruchstimmung entfacht. Schon zuvor hatte Hoeneß Akzente gesetzt, sei es mit der von ihm ausgeplauderten Rückkehr seines Günstlings Mehmet Scholl als Coach der Bayern-Amateure oder der rasch nach dem Champions-League-Endspiel verkündeten Job-Garantie für seinen Freund und Trainer Jupp Heynckes bis 2013.
Mit Sammer könnte Hoeneß die Manager-Baustelle geschlossen haben. Die Regelung der Heynckes-Nachfolge wird zur großen Herausforderung für den neuen Sportvorstand; persönlich hatte Sammer noch zu seiner DFB-Zeit neue Trainer-Ambitionen ausgeschlossen. Der Wunschkandidat von Hoeneß und Co. ist bekannt: Es ist Pep Guardiola (41), der nach seinem Abschied vom FC Barcelona gerade eine Auszeit nimmt.