HSV: Neuer Weg oder altes Leid?

Nach der Rettung ringt der HSV um eine neue Struktur, die zuerst Geld bringen soll.

Sportdirektor Oliver Kreuzer und HSV-Trainer Mirko Slomka am Montag in Hamburg.

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Hamburg. Der Hamburger SV hat sich gerettet. Glücklich, ohne eigenen Sieg, nur dank des Unvermögens der Konkurrenten. Denn seit dem 29. Spieltag stand der HSV bis zum Schluss der Bundesliga-Saison auf dem Relegationsplatz — und gewann danach kein Spiel mehr, ist mit 75 Gegentoren die Schießbude des deutschen Profifußballs. So zügelte die Scham über das eigene Unvermögen im gesamten Saisonverlauf die Feierstimmung bei den Spielern.

Beim gemeinsamen Frühstück Montag waren Dankbarkeit und Demut angesagt. „Am Ende müssen wir einfach nur dankbar sein, dass wir mit zwei blauen Augen aus der Saison gekommen sind“, gestand Marcell Jansen. „Noch so eine Saison ertrage ich nicht, sonst bin ich selbstmordgefährdet“, bekannte der entkräftete Abwehrspieler Heiko Westermann.

Trainer Mirko Slomka, sagte: „Ich würde fast sagen, dass war meine härteste Zeit als Bundesliga-Trainer.“ Slomka soll nun eine neue Mannschaft aufbauen, damit der HSV dem ersten Abstieg der Vereinsgeschichte nicht noch einmal so nahe kommt. „Wir brauchen eine ganz robuste Mannschaft. Wir hatten ein paar Spieler auf dem Platz, die in den letzten 20 Minuten nichts mehr im Tank hatten“, sagt Slomka und kündigte Montag an, im Sommer gleich drei Trainingslager zu beziehen.

Wen er dann allerdings über den Platz jagen kann, ist völlig unklar. Einige Profis sollen verkauft werden, auf keinen Fall aber Hakan Calhanoglu und Torhüter René Adler, wie Sportchef Oliver Kreuzer klarstellt: „Hakan bleibt definitiv.“ Der zeigte sich überrascht: „Aha, wenn er das gesagt hat. Ich hoffe, dass der HSV meine Wünsche erfüllt.“ Dafür braucht Kreuzer aber Kapital: „Sonst kann ich die Wünsche des Trainers nicht erfüllen.“

In dieser Saison zahlte der Hamburger SV rund 40 Millionen an Gehaltskosten für die Spieler. In den vergangenen drei Jahren machten die Hamburger Millionenverluste, der Schuldenberg ist mittlerweile etwa 100 Millionen Euro hoch.

Neues Geld soll das Programm „HSVplus“ bringen. Darin vorgesehen ist die Umwandlung der Profiabteilung in eine Aktiengesellschaft. An dieser könnten dann Investoren wie etwa der milliardenschwere Edelfan Klaus-Michael Kühne Anteile erwerben und dem HSV Millionen bescheren. Kühne allein hat ein 25 Millionen Euro-Investment angekündigt.

Doch für die Umwandlung brauchen die Initiatoren von „HSVplus“ am Sonntag bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung eine Zweidrittelmehrheit. Ob die zustande kommt, steht aber in den Sternen. Denn der Widerstand gegen die Reform hat sich längst formiert.

Die HSV-Allianz, ein Bündnis um Ex-Präsident Jürgen Hunke und einige Ex-Spieler wie Manfred Kaltz, ist zwar für die Ausgliederung der Profi-Abteilung, aber gegen einen Verkauf von Anteilen. Sie warnen vor dem Einstieg von Hedgefonds und dem Verlust von Mitsprache- und Marketingrechten. An der Entscheidung am Sonntag hängen wohl auch die Posten von Sportdirektor Kreuzer und Vorstandschef Carl E. Jarchow. Setzt die HSVplus-Initiative sich durch, sind beide wohl weg. Als neuer Sportdirektor oder Vorstand ist Dietmar Beiersdorfer (Zenit St. Petersburg) im Gespräch. Zoff kündigt sich an — das Markenzeichen des HSV.