Kein Zielwasser: Elfmeterkrise in der Bundesliga

Berlin (dpa) - Nuri Sahin, Cacau, Diego - die Krise vom Elfmeterpunkt hatte in dieser Saison viele prominente Gesichter. Von 83 ausgeführten Strafstößen fanden 26 nicht den Weg ins Tor. Das waren mehr als doppelt so viele wie in der vergangenen Spielzeit.

Die Erfolgsquote lag nur bei 69 Prozent.

Einen so niedrigen Wert hat es nach Berechnungen der Nachrichtenagentur dpa in den vergangenen zehn Spielzeiten in der Fußball-Bundesliga nur 2006/07 gegeben.

Vor allem Borussia Dortmunds Sahin ging mit sich hart ins Gericht. Dreimal vergab der Spielmacher in dieser Saison, aber auch gleich zwei Dortmunder Ersatzschützen versagten am letzten Spieltag beim 3:1 (0:0) gegen Eintracht Frankfurt: erst Lucas Barrios, dann Dede.

„Ich nehme mir diese verschossenen Elfmeter übel“, sagte Sahin. Eine schlüssige Erklärung für die miserable Quote hat er aber nicht. Dortmund vergab alle seine fünf Elfmeter in dieser Spielzeit - und liegt damit im Keller der Kategorie. Spitzenreiter ist dagegen Bayer Leverkusen, das alle sechs Strafstöße verwandelte.

Der Bundesliga blieb ein historisches Tief erspart, das 1978/79 mit 62,8 Prozent aufgestellt wurde. Am treffsichersten waren die Schützen 1985/86. Damals lag die Erfolgsquote bei 82,8 Prozent.

Für den Sportwissenschaftler Roland Loy müsste dieser Wert kein Wunschdenken sein. Der Schüler von „Fußballprofessor“ Dettmar Cramer und frühere sportliche Berater von Franz Beckenbauer kennt die Formel für den optimalen Elfmeter.

„Wenn man den Ball in die obere Hälfte des Tores schießt, dann hat man eine Trefferquote von 99 Prozent. Bei der unteren Hälfte liegt sie deutlich niedriger“, erzählte Loy. „Dabei ist die Seite nicht entscheidend. Man muss auch nicht in einen der beiden Winkel treffen.“

Für den 49-Jährigen ist diese Erkenntnis nicht neu. Mehr als 3000 Fußballspiele hat er seit Mitte der 80er Jahre analysiert. In der deutschen Bundesliga hat er seit mehr als 20 Jahren sogar lückenlos jeden Elfmeter untersucht.

Loy ist erstaunt, dass sich viele Bundesligisten in puncto Elfmeterschießen unzureichend vorbereiten. „99 Prozent aller verschossenen Strafstöße sind nichts anderes als ein Beleg dafür, dass die Trainer es versäumt haben, ihren Spielern zu vermitteln, wie man Elfmeter richtig schießt“, kritisierte er.

Der Forscher plädiert dafür, dass die Kontrollgremien der Bundesligisten ihrem Trainerteam genauer auf die Finger schauen. „Jeder Aufsichtsrat, der seine Position verantwortungsvoll ausfüllt, muss einschreiten, weil er die Verpflichtung hat, alles dafür zu tun, den Erfolg sicherzustellen“, meinte Loy.

Alles richtig gemacht hat dagegen Arturo Vidal. Der Chilene versenkte alle sechs Leverkusener Strafstöße. Jupp Heynckes ist voll des Lobes über seinen Schützling: „Mit Arturo Vidal haben wir einen sicheren Schützen, das ist die Basis für den Erfolg.“

Als „Schreckgespenster“ im Kasten erwiesen sich gleich vier Torhüter. Frankfurts Ralf Fährmann, Münchens Thomas Kraft, Schalkes Manuel Neuer und Christian Wetklo aus Mainz hielten jeweils zwei Elfmeter. Dass die Schlussmänner besser auf die Schützen vorbereitet sind als früher, glaubt der oft auch selbst vom Punkt erfolgreiche Jörg Butt vom FC Bayern aber nicht: „Das war in den letzten Jahren genauso.“