Neustädter und Draxler biegen Spiel um - Stevens lobt
Gelsenkirchen (dpa) - Das öffentliche Lob für sein Team wird von Huub Stevens normalerweise fein dosiert. Doch der neuerliche Kraftakt beim 2:1 (0:1)-Erfolg gegen Werder Bremen verleitete den von einer Erkältung gebeutelten Trainer des FC Schalke 04 zu einem ungewöhnlich euphorischen Urteil.
„Der Charakter des Kaders ist wirklich super“, schwärmte der Niederländer mit heiserer Stimme: „Großes Lob für die Jungens, dass sie es wieder geschafft haben, zurückzukommen. Alle geben Gas und ziehen gut mit.“
Angesichts des zweitbesten Bundesliga-Start der Clubgeschichte schloss sich Horst Heldt der Meinung des Coaches uneingeschränkt an. Schließlich hatten die durch viele Englische Wochen körperlich wie mental voll geforderten Königsblauen innerhalb von vier Tagen zwei äußerst knifflige Aufgaben meisterhaft bewältigt. „Die Mannschaft ist über die Schmerzgrenze gegangen. Das ist ihre besondere Qualität. Wir halten zusammen und geben kein Spiel verloren“, betonte der Manager.
Im Champions-League-Heimspiel gegen den FC Arsenal ließ sich die Reviertruppe nicht aus der Ruhe bringen und schaffte trotz zweier Gegentore noch das wichtige 2:2. Am Samstag fuhr der als erster Bayern-Verfolger vorerst etablierte Revierclub nach der frühen Führung von Aaron Hunt (16.) durch die Tore von Neu-Nationalspieler Roman Neustädter (60.) und Julian Draxler (69.) - wenn auch glücklich - noch den siebten Bundesligasieg ein.
Dabei machten die Bremer, die in den vergangenen Jahren auf Schalke derbe Pleiten erlebten, den Gastgebern das Leben diesmal sehr schwer. Kompakt in der Defensive, flink und geschickt beim Konter - nach Hunts sechstem Saisontor schien Werder in der voll besetzten Arena auf dem besten Weg zum Punktgewinn. Dass „wir wieder nichts Zählbares mitnehmen“, wurmte Trainer Thomas Schaaf zurecht.
Sokratis (30.) per Kopf und Kevin de Bruyne (32.) mit einer beinahe direkt verwandelten Ecke hätten mit mehr Fortune alles klar machen können, trafen aber nur die Latte. Zudem wurde der Belgier zurückgepfiffen, als er nach einem vermeintlichen Foul an Schalkes Verteidiger Kyriakos Papadopoulos allein auf Torhüter Lars Unnerstall zustürmte. „60 Minuten hatten wir das Spiel im Griff, haben den Gegner kontrolliert und gut nach vorn gespielt. Doch es ist unser Manko, dass wir uns für unseren Aufwand nicht belohnen“, so Schaaf.
„Daraus müssen wir schnell lernen. Aber man hat gesehen, was in der Mannschaft steckt“, ergänzte Clubchef Klaus Allofs, der zur Beseitigung der Spekulationen um seinen möglichen Wechsel zum VfL Wolfsburg nichts Erhellendes beitrug. „Der Stand ist unverändert: Es gibt kein Angebot und hat keine Gespräche gegeben.“
Schalkes Mittelfeldstratege Neustädter musste immer wieder erklären, wie seine Nominierung für das Länderspiel in Amsterdam am Mittwoch abgelaufen ist. Ein „bisschen unter Schock“ habe er gestanden, als zunächst Heldt ihn über die erste Berufung in den DFB-Kader informierte, gab der 24-Jährige zu. „Ich habe geschwitzt und erstmal mit meinen Eltern und meiner Freundin telefoniert. Nach ein, zwei Stunden habe ich dann realisiert, was vor sich geht.“
Am Abend rief Bundestrainer Joachim Löw dann persönlich an. „Für mich geht damit ein Traum in Erfüllung“, betonte Neustädter, der am Samstagabend erst nach Mainz ins ZDF-Sportstudio und am Montag mit den Teamkollegen Draxler und Benedikt Höwedes nach Amsterdam reiste. Auch für Draxler endete die Woche versöhnlich, obwohl er zuletzt „ein bisschen unzufrieden“ auf der Bank hockte. So jubelte er nach seinem Siegtor vor allem mit Co-Trainer Markus Gisdol. „Er hat mir Mut gemacht, weil ich nach meiner Verletzung nicht so oft gespielt habe.“