Nicht alles ist auf einmal anders
Leverkusen gewinnt unter dem neuen Trainer Sascha Lewandowski. Aber die Probleme scheinen noch nicht ausgeräumt.
Leverkusen. Julian Brandts Wangen waren noch tiefrot eingefärbt. Zum einen dürfte das wenige Minuten zuvor abgepfiffene Spiel gegen Hertha BSC dafür gesorgt haben, dass ihm noch die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben stand. Zum anderen war es aber auch die Aufregung, die sich beim 17 Jahre alten Offensivspieler von Bayer 04 Leverkusen abzeichnete. Nach dem 2:1 der Rheinländer gegen das Team von Trainer Jos Luhukay stand Brandt im Rampenlicht. Weil er den entscheidenden Treffer erzielt hatte. Und vor allem, weil er beinahe als einziger Spieler seiner Mannschaft das hohe Niveau der Anfangsphase über die gesamte Spieldauer halten konnte.
„Es gibt sicher Schlimmeres im Leben, als in der Bundesliga zu spielen. Ich genieße das sehr“, sagte Brandt. Der junge Mann war mit sich und der Welt naturgemäß zufrieden. Und es gab wohl niemanden, der ihm dieses Wohlgefühl hätte übelnehmen können. „Er ist ein Juwel, sehr selbstbewusst und auch geerdet. Wir dürfen aber auch nicht zu viel auf ihm abladen“, sagte Sascha Lewandowski nach seinem ersten Spiel als Interimstrainer der Leverkusener.
Wahrscheinlich hätte der 42-Jährige gerne noch mehr Spieler aus seiner Mannschaft herausgehoben. Aber es gab keine Alternativen zu Brandt. Ganze 25 Minuten hatten die Leverkusener einen neuen Geist gezeigt. Bereits nach 39 Sekunden erzielte Stefan Kießling die Führung. Nach 24 Minuten traf auch Julian Brandt mit einem geschickten Heber über Hertha-Torhüter Thomas Kraft. Die Tristesse, die sich in den vergangenen Wochen unter dem beurlaubten Sami Hyypiä eingestellt hatte, schien wie weggeblasen zu sein. Das neue 4-2-3-1-System mit zwei zentral-defensiven Mittelfeldspielern und eine mutigere Ausrichtung, mit der die Gegner bereits frühzeitiger attackiert werden sollen, schien sich auszuzahlen — bis die ansonsten vor dem gegnerischen Tor harmlosen Berliner nach einer Standardsituation durch Sandro Wagner den Anschlusstreffer (38.) erzielten.
„In der Anfangsphase war das der Fußball, wie wir ihn uns vorstellen. Aber beim kleinsten Gegenwind wackeln wir“, sagte Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler. „Und in der zweiten Halbzeit war dann deutlich zu sehen, dass wir verunsichert waren.“ Letztlich zitterten sich die Leverkusener ins Ziel. „Wir haben noch viele Baustellen. Uns hat die spielerische Sicherheit gefehlt“, sagte Lewandowski.
Innerhalb von acht Tagen seit seiner Amtsübernahme und zu diesem späten Zeitpunkt der Saison hat der Kurzzeittrainer wohl kaum viel innerhalb des Teams verändern können. Die wichtigste Erkenntnis für die Verantwortlichen bei Bayer 04 war allerdings, dass „wir die Ergebniskrise beendet haben und unsere Ziele noch aus eigener Kraft erreichen können“, wie Geschäftsführer Michael Schade ausführte.
Allerdings haben die Bayer-Profis trotz des zurückgewonnenen vierten Platzes in der Tabelle ihren Frieden mit den eigenen Fans noch nicht geschlossen. Nach dem Abpfiff mieden sie bewusst die Fantribüne, weil die Anhänger aus Prostest über die Ereignisse der vergangenen Wochen das Team nicht angefeuert hatten. Es gibt noch einiges aufzuarbeiten bei Bayer 04.