Schalkes Big Point gegen Wolfsburg - Gedämpfte Freude
Gelsenkirchen (dpa) - Beim oft überschwänglichen FC Schalke 04 hat ein lange vermisster Realismus Einzug gehalten. Trotz des beachtlichen Vorstoßes von Tabellenplatz sieben auf vier in nur zwei Rückrundenspielen ist beim Revierclub von Euphorie keine Spur.
Schalkes Taktgeber und Siegtorschütze, Kevin-Prince Boateng, gab nach dem 2:1 (1:0) gegen Verfolger VfL Wolfsburg auch verbal die Richtung vor: „Das war ein wichtiger Sieg. Aber er bedeutet nicht mehr, als dass wir auch das nächste Spiel gegen Hannover gewinnen wollen.“
Cool und abgezockt erklärte der Ghanaer, worauf es wirklich ankommt beim Fußball. „Es hat sich schon in der Vorbereitung angebahnt. Wir sind als Mannschaft enger zusammengewachsen, und wir arbeiten jetzt auf dem Platz besser zusammen“, betonte Boateng, nachdem sein Team einen Rivalen im Kampf um einen Champions-League-Platz etwas abgeschüttelt hatte. Emotional ging es bei Schalkes Leader zuvor nur auf dem Rasen zu. Nach seinem Siegtreffer in der 81. Spielminute schickte Boateng Handküsse auf die Arena-Tribüne, wo seine hochschwangere Verlobte Melissa mitjubelte.
Dass Borussia Mönchengladbach beim 1:3 in Hannover am Samstagabend patzte und auf Rang fünf zurückfiel, rundete das Wochenende der Königsblauen ab. Doch auch Horst Heldt lässt sich nicht zu Übermut verleiten, zumal der knappe Sieg gegen dezimierte Wolfsburger alles andere als leicht fiel - in der 50. Minute sah Daniel Caligiuri die Roten Karte. „Es war ein Duell auf Augenhöhe“, sagte der Schalker Manager. „Es war schön zuzuschauen. Umso schöner, weil wir noch gewonnen haben. Aber der VfL hat mich sehr beeindruckt.“
Mit dem Lob konnte Gäste-Coach Dieter Hecking nicht viel anfangen. Zu frisch war sein Ärger über den Platzverweis für Caligiuri, der den Schiedsrichter-Assistenten beleidigt hatte. Das gab auch Hecking nach Rücksprache mit seinem Spieler und Hauptreferee Wolfgang Stark zu. „Es gab eine kleine Beleidigung, aber auch unterschiedliche Wahrnehmungen“, erläuterte Hecking, der freilich nicht verriet, was Caligiuri in seiner Wut über ein nicht geahndetes Foul von Felipe Santana geäußert hatte. Der VfL-Trainer hätte sich gewünscht, dass die Unparteiischen in einer derart emotionalen Situation „auch mal weghören: Aber der Schiedsrichter hat natürlich immer recht.“
Auch VfL-Manager Klaus Allofs brachte für die verbale Entgleisung Caligiuris ein gewisses Verständnis auf. „In der Szene vorher ist ihm fast der Kopf weggetreten worden“, meinte Allofs. „In der Hektik wird dann auf dem Platz mal was gesagt, was man am Tisch später nicht mehr sagen würde. Man hätte da etwas Verständnis haben können.“ Nach dem Platzverweis war der VfL dann aber gefährlicher als mit elf Mann.
Das sah auch Jens Keller so. „Die Rote Karte war der Genickbruch für uns“, meinte Schalkes Trainer. „Danach haben wir einen Gang zurückgeschaltet, weil wir dachten, es geht von allein.“ Hecking lobte seinen Elf dafür, dass sie nach dem Rückstand durch ein kurioses Billard-Tor von Santana (9.), der von Boateng angeköpft worden war, nie aufgab und in Unterzahl das 1:1 durch Maximilian Arnold (65.) schaffte. Danach wachten die Königblauen wieder auf und wurden durch Boatengs Siegtor belohnt. „Ich bin stolz auf meine Mannschaft, weil sie das Spiel unbedingt noch gewinnen wollte. Das 2:1 war super herausgespielt“, befand Keller.
Heldt ist bei aller Freude über den tollen Rückrundenstart sicher, dass der Kampf um die drei Ränge hinter Bayern München bis zuletzt offen bleibt. „Vier Punkte Vorsprung vor Wolfsburg ist ein bisserl was, aber kein Grund zum Ausruhen“, sagte Heldt. „Es wird da oben eng bleiben bis zum 33. oder 34. Spieltag.“