Beiersdorfer gegen Aktionismus Seeler trotzig nach Debakel: „Hamburger geben nicht auf“
Hamburg (dpa) - „Außer Uwe könnt Ihr alle geh'n“, hallte es aus der Nordkurve des Volksparkstadions. Das 2:5-Debakel gegen Borussia Dortmund quittierten die HSV-Fans mit Hohn und Spott, Markus Gisdol sprach schon vom „Existenzkampf“.
Dietmar Beiersdorfer wirkte angeschlagen, als er am Tag nach der nächsten Klatsche für seinen Hamburger SV vor die Medien trat. Doch anders als bei der Entlassung von Trainer Bruno Labbadia vor sechs Wochen schloss der Vorstandschef nach dem 2:5-Heimdebakel gegen Borussia Dortmund beim Tabellenletzten diesmal kurzfristigen Aktionismus aus. „Natürlich habe ich als Vorstandsvorsitzender die Gesamtverantwortung. Ich gehe vorweg, und das werde ich auch in Zukunft tun“, sagte er am Sonntag zu Spekulationen, er könnte aus Frust seinen Posten aufgeben. Auch einen erneuten Trainerwechsel beim Krisen-Club, wo Ende September Markus Gisdol bisher erfolglos Labbadias Nachfolge angetreten hat, hält er für kein probates Mittel.
„Die Bilanz ist schlecht, da dürfen wir keine Ausreden suchen“, sagte Beiersdorfer nach dem 2:5 (0:3)-Heimdebakel gegen Borussia Dortmund. Er will mit Gisdol die sportliche Misere beheben: „Das geht nur zusammen.“ Der Coach selbst ergänzte: „Wenn in Hamburg schon wieder der Trainer Schuld sein soll, wäre das doch komisch.“ Dennoch stelle er sich auch immer wieder selbst in Frage.
An Spekulationen um den künftigen Sportdirektor wollte sich Beiersdorfer eigentlich gar nicht beteiligen. Beiersdorfer wies aber darauf hin, dass er dem ehemaligen HSV-Profi Nico-Jan Hoogma eine Absage erteilt habe. Hoogma hatte betont, er habe dem HSV abgesagt. Zu den weiterhin als Sportchef-Kandidaten gehandelten Ex-Profis Horst Heldt und Jens Todt sagte Beiersdorfer am Sonntagmittag nichts. Nach Informationen der „Sport Bild“ soll Heldt kein Kandidat mehr sein. Wie das Magazin am Sonntagabend berichtete, sollen sich Beiersdorfer und Heldt in einem Telefonat am Sonntag darüber verständigt haben.
Nach dem lauten Stadionchor, der „Außer Uwe könnt Ihr alle geh'n“ in der Nordkurve des Volksparkstadions anstimmte, waren die Fans auch beim Auslaufen der Profis noch richtig wütend.
Mit Hohn und Spott reagierten die Anhänger, doch Beiersdorfer appellierte an die Geschlossenheit im von Gisdol ausgerufenen „Existenzkampf“: „Wir brauchen die Fans dieses Mal noch früher. Ich bin hundert Prozent der Überzeugung, dass die HSVer zu uns stehen.“ Jubilar Uwe Seeler glaubt weiter unverdrossen an die nächste Rettung. „Hamburger geben nicht auf. Ich lasse mir meinen Geburtstag nicht verderben“, sagte das Stürmer-Idol nach dem sportlichen Fehlschlag an seinem 80. Ehrentag. Das Vertrauen in die Vereinsführung hat er indes schon lange aufgegeben: „Da verstehe ich einiges nicht.“
Gisdol prangerte die Träumereien an der Elbe an: „Die Erwartungshaltung vor der Saison war einfach zu groß, die Realität ist Existenzkampf.“ Investor Klaus-Michael Kühne hatte von Platz sechs bis acht geredet, Beiersdorfer ihm nicht widersprochen.
Der neue Sportchef wird dringend gebraucht - allein, um im Winter mindestens einen Klasse-Innenverteidiger zu holen. Auf Kapitän Johan Djourou kann sich die verunsicherte Mannschaft nicht verlassen. Dem Schweizer passieren krasse Fehler wie der misslungene Rückpass beim zweiten der vier Treffer von Pierre-Emerick Aubameyang (3./23./27./48. Minute) in schöner Regelmäßigkeit. Ebenso wie Cléber, den Gisdol unter Pfiffen nach einer halben Stunde vom Feld holte.
Die neue Dreier-Kette mit drei Innenverteidigern schien die Spieler zu überfordern. „Der Trainer hat entschieden, für viele war es neu, es fehlen Automatismen“, sagte Djourou. Gisdol verteidigte seine Entscheidung: „Ich glaube, jeder Profisportler sollte in der Lage sein, Vierer- oder Dreierkette zu spielen, das wird in jedem Nachwuchsleistungszentrum gelehrt. Wir hätten bei diesen individuellen Fehlern auch mit Viererkette Probleme gehabt.“
Nach haarsträubenden Fehlern in der ersten Halbzeit bäumte sich der HSV in den zweiten 45 Minuten zumindest etwas auf, Nicolai Müller (55./81.) beendete die seit fast zwölf Stunden andauernde Torflaute. Das letzte Gegentor von Ousmane Dembelé (77.) beendete allerdings die zarten Hamburger Hoffnungen auf eine Aufholjagd.
Sogar der Gegner reagierte schon mit Mitleid. „Das ist hart für den HSV. Das wünscht man keinem. Die Spieler tun mir leid, weil sie sich schon reinhauen!“, meinte BVB-Nationalspieler André Schürrle. Der bisher glücklose Gisdol hat in den zwei Wochen bis zum Auswärtsspiel bei Ex-Club Hoffenheim viel Arbeit vor sich.