Selbstkritischer Draxler benötigt Zeit
Ingolstadt (dpa) - Julian Draxler war nach der Premiere als neuer Kevin De Bruyne beim VfL Wolfsburg selbst sein härtester Kritiker. Als „sehr ausbaufähig“ beurteilte der Fußball-Nationalspieler nicht nur die Leistung seines neuen Vereins, sondern auch die eigene.
„Mit einem 0:0 in Ingolstadt können wir generell nicht zufrieden sein. Auch ich hätte in der einen oder anderen Situation noch zielstrebiger zum Tor gehen können“, sagte der 36 Millionen Euro teure Weltmeister, der beim Vizemeister und Pokalsieger vor der Mega-Herausforderung steht, den für mehr als das Doppelte an Manchester City verkauften Belgier De Bruyne zu ersetzen - und das lieber heute als morgen.
Nach 14 Jahren im königsblauen Schalke-Dress hatte der gerade 21-Jährige ein „besonderes Kribbeln“ verspürt, „zum ersten Mal das Trikot vom VfL anzuziehen“. Dem 90-Minuten-Debüt, das er größtenteils auf seiner Lieblingsposition zentral auf der „Zehn“ absolvieren durfte, fehlte die entscheidende Aktion, der Aha-Effekt. In einer zähen Partie war Draxler aber noch der Aktivposten in der stumpfen VfL-Offensive. Ingolstadts Torwart Ramazan Özcan war nur zweimal richtig gefordert - beide Male gegen Draxler (10./64. Minute).
Dieter Hecking hatte am 51. Geburtstag keine Freude. Der VfL-Coach vermisste gegen einen aufsässigen FC Ingolstadt das Zwingende im Spiel seiner Elf. Er rügte besonders die ständige Tempoverschleppung. „Wir müssen mit dem Punkt leben und können damit leben. Mund abwischen, Dienstag geht es weiter“, knurrte Hecking. Dann heißt der Gegner zum Start in die Champions League ZSKA Moskau.
Auch Draxler setzt auf den nun einsetzenden flotten Spielrhythmus. „Manche Jungs kenne ich jetzt erst seit zwei, drei Tagen. Das braucht noch ein bisschen Zeit. Aber das wird jetzt mit den Spielen kommen. Wir haben sehr viele englische Wochen, da geht es Schlag auf Schlag. Da wird sich das sicher auch schnell finden“, sagte er hoffnungsvoll.
Die Findungsphase erfolgt jedoch unter Zeitdruck. Das Führungsduo Bayern und Dortmund ist nach nur vier Spieltagen schon vier Punkte voraus. Immerhin konnten Hecking und Allofs dem vom FC Bayern geholten Dante eine „absolut souveräne“ Leistung im Zentrum der Abwehr bescheinigen. „Und Julian hat eine gute Torchance gehabt. Der Ball war leider zu sehr mittig geschossen. Er hat ein paar gute Pässe gespielt, das war in Ordnung“, sagte Allofs über Draxler.
Nicht in Ordnung war die Gesamtleistung, oder auch das, was Weltmeister André Schürrle bei seinem ersten Startelfeinsatz der Saison bot. „Der Junge muss da jetzt durch“, meinte Hecking nur. Mit hohem läuferischen Aufwand konnten die Ingolstädter die hochkarätig besetzte Wolfsburger Offensivabteilung weitgehend neutralisieren. „Wenn man gegen Wolfsburg 0:0 spielt, 60 Minuten davon gut, ist das ein gefühlter Sieg“, erklärte FCI-Schlussmann Ozcan zufrieden.
Nach dem heftigen 0:4 bei der Bundesliga-Heimpremiere gegen Dortmund bewies der Aufsteiger, dass er auch eine Topmannschaft mit bissigem Pressing, Leidenschaft und mannschaftlicher Geschlossenheit ärgern kann. „Wir haben schnell gelernt“, lobte Trainer Ralph Hasenhüttl nach dem schon dritten Spiel ohne Gegentor. Für den Österreicher ist der Aufsteiger im Eiltempo angekommen in der Bundesliga. „Dreimal haben wir gut gespielt, einmal waren wir überfordert“, bilanzierte Hasenhüttl und versprach: „Wir bleiben mutig! Wir bleiben frech!“