„Setzen! Fünf!“: Schalke hadert wieder mit sich selbst
Frankfurt/Main (dpa) - Benedikt Höwedes zog von Kamera zu Kamera, aber konnte sich selbst dabei kaum beruhigen.
„Ich habe einen riesen Hals. Wie wir das Ding noch herschenken können, ist mir ein Rätsel“, schimpfte der Kapitän von Schalke 04 vor den Mikrofonen des TV-Senders Sky. Ein paar Meter weiter beim ZDF ging es ihm immer noch „richtig auf den Keks“, dass seine Mannschaft bei Eintracht Frankfurt nur 3:3 gespielt hatte, obwohl sie zur Halbzeit schon mit 2:0 führte.
Kurz vor dem wichtigen Champions-League-Spiel am Dienstag bei Steaua Bukarest hadern die Schalker mal wieder mit sich selbst. Auch die emotionale Achterbahnfahrt in Frankfurt hinterließ bei Spielern wie Beobachtern den bedenklichen Eindruck, dass diese so vielversprechend besetzte Mannschaft längst nicht alles aus sich herausholt. Schon beim 3:3 in Hoffenheim hatte sie einen 2:0-Vorsprung verspielt. Und selbst bei Siegen wie gegen Braunschweig (3:2) oder Augsburg (4:1) zeigte sie von grimmig entschlossen bis sträflich nachlässig gleich mehrere Gesichter innerhalb eines Spiels.
„Es funktioniert nicht zufriedenstellend. Das ist nicht das, was ich sehen will“, sagte Horst Heldt am Samstag. Der Sportdirektor klang dabei, als hätte er am liebsten auch so losgepoltert wie Höwedes und sich dann nach einigem Ringen auf die Zunge gebissen. Aber auch das, was er dabei noch hervor presste, war deutlich genug: „Es hat heute Phasen gegeben, da würde man in der Schule sagen: Setzen! Fünf!“, meinte er. „Wir müssen intern Selbstkritik üben.“
In der Ära des Systemfußballs, in der sich an anderen Orten selbst Individualisten wie Arjen Robben einer klar vorgegebenen Spielidee unterordnen, wirkt diese Schalker Mannschaft manchmal wie aus der Zeit gefallen. Sie ist dann nicht mehr als die Summe ihrer Einzelspieler, die gerade so gut oder so schlecht spielt, wie es die Form und Laune von Farfan, Boateng und Co. zulässt.
Eine klar vorgegebene Spielidee war in Frankfurt jedenfalls nie zu erkennen - egal, ob Schalke gerade durch ein Eigentor von Johannes Flum (14.) und Joel Matip (18.) zufällig in Führung ging, diesen Vorsprung bei den Gegentoren von Flum (56.) und Joselu (61./68.) wieder aus der Hand gab oder durch den hinterher trotzdem fluchenden Höwedes noch zum Ausgleich kam (86.). „Das ist schwierig zu erklären. Wir kommen anscheinend immer wieder in Situationen, in denen wir zu nachlässig werden“, meinte Torwart Timo Hildebrand.
Nach Bukarest reisen die Schalker deshalb auch mit gemischten Gefühlen. „Wir müssen dieses Spiel gewinnen. Dann haben wir die Chance, schon alles klarzumachen, wenn auch Chelsea gegen Basel gewinnt“, sagte Heldt. Der Sportchef betonte aber auch: „Wenn wir so spielen wie heute, werden wir in Bukarest in Rückstand geraten.“
Trainer Jens Keller saß auf dem Pressepodium und wirkte etwas ratlos dabei. Er konnte noch nicht sagen, ob er in Bukarest den an der Hand operierten Adam Szalai im Sturm aufstellen wird oder den in Frankfurt wie unter einer Tarnkappe spielenden Kevin-Prince Boateng. Auch auf die Frage nach den ständigen Schwankungen im Schalker Spiel wusste er keine Antwort. „Mangelnde Qualität ist das nicht“, meinte er nur. Kellers Fazit: „Für die Zuschauer war das ein tolles Spiel. Für uns Trainer ist so etwas natürlich der Wahnsinn.“