Frankfurt überrascht alle Vom Fast-Absteiger zum Favoritenschreck
Frankfurt/Main (dpa) - Zwei Tage vor dem Spitzenspiel gab es ein zackiges Geheimtraining. Noch einen Tag früher: die klare Ansage des Trainers. „Was wir bisher erreicht haben, reicht nicht“, sagte Niko Kovac.
„Das Schlimmste wäre, jetzt nachzulassen.“
Das ist also die Art und Weise, mit der man bei Eintracht Frankfurt mit einer der bemerkenswertesten Erfolgsgeschichten dieser Bundesliga-Saison umgeht. Noch vor einem halben Jahr wäre die Eintracht beinahe abgestiegen. Jetzt ist sie auf einmal punktgleich mit dem nächsten Gegner Borussia Dortmund (Samstag, 15.30 Uhr), der gerade den FC Bayern geschlagen hat und auf einem Champions-League-Platz steht.
Auch die Frankfurter haben vier ihrer vergangenen fünf Pflichtspiele gewonnen. Und wer nach den Gründen für diese Entwicklung sucht, landet schnell bei Kovac und seinem Arbeitsethos: nie zufrieden sein, immer weitermachen. „Es muss immer Druck auf der Pipeline sein. Nur dann kannst du etwas erreichen“, sagt auch der Sportvorstand Fredi Bobic. Es ist so etwas wie das Frankfurter Leitmotiv dieser Saison.
Kovac und Bobic kennen sich schon seit Jahren. Sie haben früher gemeinsam bei Hertha BSC gespielt. Im Sommer krempelten sie nun zusammen mit Sportdirektor Bruno Hübner die Eintracht um. Sie holten neun neue Spieler und gaben elf alte ab. Sie veränderten nahezu das komplette Funktionsteam rund um die Mannschaft und erhöhten die Intensität auf dem Trainingsplatz, bei der Sichtung möglicher Neuzugänge, kurz: in nahezu allen Bereichen dieses Vereins.
Alte Gewissheiten gelten jetzt in Frankfurt nicht mehr. Die Eintracht ist abhängig von ihrem Torjäger Alexander Meier? Der 33-Jährige kann mittlerweile froh sein, wenn er von Anfang an spielt. Wie wird man vermeintliche Fehleinkäufe wie Marco Fabian oder Timothy Chandler am schnellsten wieder los? Unter Kovac sind sie auf einmal Stammspieler.
Vor der Saison war es ein großes Thema in der Stadt, wie eine Mannschaft überhaupt funktionieren kann, wenn die 31 Spieler aus 17 verschiedenen Nationen stammen. Mittlerweile ist selbst diese Debatte in ihr Gegenteil verklärt worden. „In der Kabine lernt bei uns jeder vom anderen“, sagte Kapitän Meier.
In Wahrheit ist diese Eintracht aber wohl weder ein babylonischer Haufen noch ein Musterbeispiel der Integration. In Wahrheit ist es in diesen Wochen fast schon egal, ob gerade ein Spanier, ein Serbe oder ein Hesse spielt, weil fast alle in diesem Team einen ausgeprägten Ehrgeiz haben und ohnehin alle an Kovac' kurzer Leine hängen.
Wie stabil sein Team ist, kann sich an diesem Samstag zeigen. Der Trainer machte schon einmal deutlich, dass er die Dortmunder „nochmal für ein anderes Kaliber hält“ als die Kölner, die Schalker oder die Leverkusener, gegen die die Eintracht in dieser Saison schon gewann. „Wir freuen uns darüber, dass wir da stehen, wo wir stehen. Aber es gibt noch einen Unterschied zwischen dem BVB und uns“, sagte Kovac. „Ich sehe es noch nicht so, dass wir eine Spitzenmannschaft sind.“
Wie es seine Art ist, erinnerte der 45-Jährige jeden daran: „Die Entwicklung unserer Mannschaft gefällt mir sehr. Aber wir müssen das bestätigen. Wir sind erst bei einem Drittel der Saison.“
In den nächsten zwei Dritteln droht der Eintracht, dass deutlich besser besetzte Teams wie Leverkusen oder Schalke wieder vorbeiziehen. Oder dass sich gleich mehrere nur ausgeliehene Spieler wie der Spanier Jesus Vallejo, der Schweizer Shani Tarashaj oder der Kroate Ante Rebic irgendwann fragen: Wo spiele ich eigentlich nächste Saison? „Dort oben hinzukommen, ist schon nicht leicht“, sagte Kovac. „Aber dort oben auch zu bleiben, das ist die große Schwierigkeit.“