Wildes Trainerkarussell versetzt Liga in Aufruhr

Berlin (dpa) - Das Trainer-Hopping überschattete die Bundesliga-Saison. Felix Magath und Ralf Rangnick trainierten gleich zwei Clubs - insgesamt schieden zwölf Fußball-Lehrer vorzeitig aus ihrem Amt.

Die immer dynamischeren Strukturen im Trainergeschäft sorgten für viele kritische Töne.

Vorzeige-Jobhopper Felix Magath personifizierte den Begriff Kurzfristgeschäft wie kein anderer in der fast abgelaufenen Bundesliga-Saison. 48 Stunden lagen gerade mal dazwischen, als „Quälix“ nach seinem Aus auf Schalke im Frühjahr plötzlich in Wolfsburg anheuerte. Zwei Tage und 300 Kilometer. Ein Sinnbild einer Saison, in der die Trainer in ungekannter Dynamik wechselten und das Trainerkarussell zum geflügelten Wort verkam. Zwölf Fußball-Lehrer schieden im Laufe der Spielzeit aus, fünf verkündeten schon frühzeitig ihren Abschied zum Sommer und watschelten zeitweise als „Lame Ducks“ durchs Oberhaus.

Feuerwehrmänner kamen für Konzepttrainer und umgekehrt, Assistenten lösten reihenweise ihre zuvor gescheiterten Chefs ab - und landeten kurz darauf oft selbst wieder auf dem Abstellgleis. In Magath und Ralf Rangnick betreuten zwei Trainer innerhalb einer Saison gleich zwei Clubs. Magath coachte Schalke und Wolfsburg, Rangnick Hoffenheim und Schalke - als Magaths Nachfolger.

Auch Branchenführer Bayern München ließ sich von der allgemeinen Unruhe anstecken. Weil die Teilnahme an der Königsklasse in Gefahr geriet, musste Louis van Gaal gehen. Zur neuen Saison soll der Noch-Leverkusener Jupp Heynckes wieder für Kontinuität beim Rekordmeister sorgen. Weitere prominente Opfer waren Armin Veh beim Hamburger SV, Christian Gross beim VfB Stuttgart, Steve McClaren in Wolfsburg und Michael Skibbe bei der Frankfurter Eintracht - letzterer wurde sogar nach einem Sieg vor die Tür gesetzt. Dafür trat Christoph Daum zurück ins Rampenlicht, mit ihm aber ging es für die Hessen noch drastischer bergab.

Die Hire-and-Fire-Mentalität versetzte das ganze Oberhaus in Panik - und sorgte abseits des Rasens mitunter für mächtiges Kopfschütteln. „Es ist viel passiert in der deutschen Liga. Generell muss man sehen, dass die Seriosität in der Bundesliga erhalten bleibt“, kritisierte Bundestrainer Joachim Löw in der Wechselhochphase Frühjahr. „Viele Fans kommen kaum noch mit“, unkte das Fachblatt „Kicker“. Als Magath Mitte März gerade in Windeseile von Schalke 04 zum VfL Wolfsburg gewechselt war, klagte auch DFB-Sportdirektor Matthias Sammer: „Es macht keinen guten Eindruck, weil wir neben den ganzen Entscheidungen auch mal wieder über sportliche Dinge diskutieren sollten.“

Nur 24 Tage nach seinem von Misstönen begleiteten Rauswurf traf Magath mit seinem neuen auch noch auf sein altes Team. „Allein schon wegen der Kurzfristigkeit der Ereignisse bin ich noch zu nah dran, um das einfach abzutun“, meinte der Schnellwechsler damals. Eine Situation, zu der es in Italien oder Spanien nie gekommen wäre: Dort darf ein Trainer innerhalb einer Saison nur einen Club betreuen.

Abgelöst hatte der Alleinherrscher in Wolfsburg Weltmeister Pierre Littbarski, der nach McClarens Demission vom Co-Trainer zum Chef befördert worden war. Überhaupt rückten die Assistenten oft ins erste Glied. Beim FC Bayern ersetzte Andries Jonker seinen Vorgesetzten van Gaal, auch Jens Keller (Stuttgart), Marco Pezzaiuoli (Hoffenheim) und Michael Oenning (Hamburg) stiegen auf. Über die Saison hinaus kann sich aber nur Oenning halten, der beim HSV bis 2013 unterschrieb.

Branchenunübliche vier Jahre blieb Robin Dutt beim SC Freiburg, ehe der 46-Jährige den Club zum Saisonende verlässt - aus freiem Willen. Höhere Aufgaben locken Dutt bei Bayer Leverkusen, weil Heynckes der Werkself abtrünnig wird und nach München weiterzieht.

Frühzeitig machte auch Holger Stanislawski (St. Pauli) seinen Umzug nach Hoffenheim zur neuen Saison bekannt. „Natürlich fällt nach so langer Zeit ein Abschied aus Hamburg schwer“, sagte er nach 18 Jahren als Spieler, Trainer und Offizieller am Millerntor. Die Klarheit schon im April aber wirkte sich schlecht aufs Team aus. Nach Stanislawskis Verlautbarung lief bei Pauli sportlich nichts mehr.

Sogar die gemeinhin übliche Solidarität unter den Trainern blieb im Wechselwahn auf der Strecke. Magath stellte gleich seinen beiden VfL-Vorgängern McClaren und Littbarski ein mieses Arbeitszeugnis aus, als er wetterte: „Der Zustand des Teams ist schlecht, körperlich fehlt viel.“

Für kommende Saison ist der 57-jährige Schleifer nun trotz eines Vertrags in Wolfsburg bis 2013 schon wieder ganz woanders im Gespräch: bei Dynamo Moskau. Um ins ferne Russland zu ziehen, würde aber sicher etwas mehr Zeit ins Land gehen als nur zwei Tage. Wolfsburg und Moskau liegen 2000 Kilometer auseinander.