Schalke feiert das Wunder von Mailand - „Grandios“

Mailand (dpa) - Unglaublich, unfassbar, 5:2: Nach der Fünf-Sterne-Gala von Mailand überboten sich die Fußball-Helden des FC Schalke 04 im Überschwang der Glücksgefühle mit Superlativen. „Sensationell, wir haben heute ein Wunder erlebt“, schwärmte Kapitän Manuel Neuer.

In einer spektakulären Partie hatte die königsblaue „Notelf“ den Champions-League-Titelverteidiger Inter Mailand vorgeführt. „Für die Zuschauer war es ein fantastisches Spiel und für uns ein grandioser Abend“, sagte Trainer Ralf Rangnick. „Die Partie hätte auch 5:10 oder 4:8 ausgehen können. Es gab keine drei Minuten Langeweile.“

Der historische Sieg im Giuseppe-Meazza-Stadion rief Erinnerungen an den bislang größten Triumph der Clubgeschichte vor 14 Jahren an gleicher Stelle wach. Selbst Christoph Metzelder, der wegen seines Nasenbeinbruchs nicht mitwirken konnte, dachte an den UEFA-Pokalsieg der „Eurofighter“ 1997. „Doch das war einzigartig und wäre nur zu toppen, wenn wir den Titel holen. Wahnsinn, solch einen Abend gibt es nur im Europacup“, meinte der Abwehrspieler.

Der erstmalige Einzug ins Halbfinale der Königsklasse und eine weitere Prämie von 4,2 Millionen Euro sind Schalke kaum noch zu nehmen. Im Rückspiel am 13. April könnte sich der Revierclub sogar eine 0:3- oder 1:4-Niederlage leisten. „Jetzt kommt die Zeit, in der die Preise verteilt werden. Und wir scheinen da ordentlich mitmischen zu können“, sagte Metzelder auch mit Blick auf das DFB-Pokalfinale am 21. Mai gegen Zweitligist MSV Duisburg.

Rangnick warnte trotz der komfortablen Ausgangslage jedoch davor, den italienischen Triple-Sieger und Bayern-Bezwinger schon abzuschreiben. „Wir haben sicher einen großen Schritt gemacht, aber noch nicht den endgültigen.“ Die rund 5000 mitgereisten Fans freuten sich dagegen schon auf weitere Höhepunkte gegen den FC Chelsea oder Manchester United in der Vorschlussrunde und skandierten nicht ohne Häme: „Seht ihr Bayern, so wird das gemacht.“

Die Münchner waren im Achtelfinale gegen das Team um Wesley Sneijder und Samuel Eto'o trotz eines 1:0 in Mailand nach dem 2:3 daheim ausgeschieden. „Wir fühlen uns jetzt relativ sicher. Aber es sind noch 90 Minuten zu spielen“, warnte Neuer, für den das Ergebnis auch lange nach dem Abpfiff „noch immer unbegreiflich“ war.

Dabei schien die Partie nach dem Blitztor von Dejan Stankovic den erwarteten Verlauf zu nehmen. Schon nach 25 Sekunden war der Nationalkeeper erstmals geschlagen. Neuers Kopfball-Abwehr außerhalb des Strafraums landete beim Serben, und der überliste den Torhüter mit einem kuriosen Volleyschuss aus 51 Metern. Neuer nahm es später mit Humor: „Ein bisschen ärgerlich, dass ich nicht 40 Meter köpfen kann. 30 Meter waren zu kurz. Der Schuss ging nach hinten los.“

Doch in nur zwei Wochen hat Magath-Nachfolger Rangnick der Elf jegliche Angst vor dem Versagen genommen und neues Selbstbewusstsein eingehaucht. Engagiert, zweikampfstark und mutig spielte das junge Team vor 72 770 am Ende fassungslosen Zuschauern nach vorn. Joel Matip (17.), der Brasilianer Edu (40./75.) sowie Raúl (53.) mit seinem 72. Europapokaltor deckten die Abwehrprobleme der Italiener schonungslos auf. Den fünften Schalker Treffer steuerte Verteidiger Andrea Ranocchia (57.) per Eigentor bei.

Selbst der erneute Rückstand zum zwischenzeitlichen 1:2 durch Bayern-Schreck Diego Milito (34.), der beim Finalsieg 2010 beide Tore erzielte, warf das junge Team nicht aus der Bahn. Die Youngster Matip und Kyriakos Papadopoulos oder die unter Ex-Coach Felix Magath vorübergehend in den Regionalliga-Kader verbannten Hans Sarpei und Alexander Baumjohann wuchsen über sich hinaus. „Es spricht für die Mannschaft, dass sie so zurückgekommen ist“, lobte Rangnick.

Für Inter war die Partie drei Tage nach dem 0:3-Debakel im Derby gegen den AC Milan eine weitere Blamage. Die italienische Presse ging mit den gedemütigten Stars und Trainer Leonardo hart ins Gericht. Eine ähnlich hohe Heimniederlage in der Königsklasse hatte Inter beim 1:5 gegen den FC Arsenal im November 2003 kassiert. „Inter begeht Selbstmord. Nach dem Derby noch ein Alptraum“, schrieb die „Gazzetta dello Sport“ und sah schon den Coach des FC Barcelona als neuen Trainer: „So nicht Leonardo. Über ihm schwebt bereits Guardiola.“ Und „Tuttosport titelte: „Disastro Inter.“

Im Rückspiel fehlt den Mailändern zudem Cristian Chivu, der Gelb-Rot (62.) sah. Dafür ist Lucio nach seiner Sperre wieder dabei. Auch Jefferson Farfan muss zusehen, weil er sich die fünfte Verwarnung einhandelte. „Wir haben heute schon einige Spieler ersetzen müssen. Auch den Ausfall von Farfan werden wir kompensieren“, sagte Rangnick.