EM-Tagebuch Bonjour - Brett vorm Kopf

Neun Reporter sind für unsere Zeitung bei der Fußball-EM in Frankreich unterwegs. Tag für Tag wird einer von ihnen sein Tagebuch öffnen.

Achim Muth.

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Das Medienzentrum in Évian ist eine Welt der Worte. Sie sprudeln hier wie das Wasser aus der Cachat-Quelle unten im Städtchen — ein scheinbar nie versiegender Strom. Erst werden sie gesprochen im gleißenden Scheinwerferlicht von den Wichtigen wie Bundestrainer Joachim Löw oder Manuel Neuer auf der Bühne. Dann werden sie geschrieben, gleich nebenan, wo es 150 Arbeitsplätze für die Journalisten gibt.

Eigentlich ist das alles hier ein Sportkomplex für Handball und Petanque, doch nun, seit die Deutschen da sind, ist die Halle zweckentfremdet. Über eine halbe Million Euro soll Évian investiert haben, um sich als EM-Quartierort für den DFB aufzuhübschen. Darin enthalten war offensichtlich auch eine ordentliche Schreinerarbeit. Auf den Tischen im Pressezentrum wurden Naturholzplatten befestigt und darauf dann Nischen gezimmert.

Die Abtrennungen sind sauber verleimt, abschreiben ist so für die Reporter kaum möglich. Da sitzen wir also, lassen die Gedanken für möglichst kluge Geschichten kreisen — und haben doch stets ein Brett vorm Kopf. Im Holzverschlag gibt es für jeden eine kleine Leuchte, ein Lankabel für die schnelle Internetverbindung und eine Vierersteckdose. Das Ganze erinnert ein wenig an eine Käfighaltung für Textlieferanten, aber insgesamt - doch, doch — dürfen die Bedingungen hier als sehr gut bezeichnet werden.

Es gibt genügend Nahrung, und ein wenig Auslauf ist auch vorhanden. Wer in der letzten Reihe den Blick dann ein wenig hebt vom Laptop, kann geradeso über die Holzabtrennung hineinlugen in diese große Halle. Über der feingeschmirgelten Bretterkante erheben sich die Hinterköpfe und Stirnpartien der Kollegen. Es ist ein Reich der halben Häupter — und für die nächsten Wochen auch so etwas wie ein Zuhause.