Deschamps vertraut seinem Kader

Clairefontaine (dpa) - Didier Deschamps hat als Spieler erreicht, was Joachim Löw nie vergönnt war. Didier Deschamps stand ganz oben: Weltmeister-Kapitän 1998, Europameister-Kapitän 2000.

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Champions-League-Sieger mit Olympique Marseille und Juventus Turin, dreimal italienischer Meister, zweimal französischer Meister. Und praktisch immer als Anführer.

Schon mit 32 wechselte er als hochdekorierter Spieler auf die Trainerbank. Einer seiner Schützlinge damals beim AS Monaco: Oliver Bierhoff, knapp sechs Monate älter als sein französischer Coach. In Italien spielten sie vorher lange Zeit noch gegeneinander.

Deschamps' Start als Trainer war allerdings mehr als holprig. Monaco lag zunächst auf dem letzten Platz, Deschamps holte Bierhoff, am Ende wurde es Rang 15. Der jetzige DFB-Teammanager verließ Monaco, Deschamps blieb und verbesserte sich mit dem Team auf den zweiten Platz, 2005 wechselte er zu Juventus Turin, stieg mit der zwangsabgestiegenen „Alten Dame“ auf, heuerte in Marseille an und wurde 2010 Meister. Eine Tendenz bei Didier Deschamps: Er kehrt als Trainer dahin zurück, wo er als Spieler schon mitprägend war.

So wie in der Nationalmannschaft. 103 Länderspiele absolvierte Deschamps. Sein Revier war das defensive Mittelfeld. Ein Aufräumer. Hart gegen sich selbst, unermüdlich. Für Glanz und Brillanz waren andere zuständig, allen voran Zinedine Zidane.

Aber Deschamps war der Kapitän. Und er ist der Bestimmer geblieben. Beim Training, das er mit Pfeife und wortreich leitet, wenn es drauf ankommt. Beim Drumherum: Dass zum Beispiel Paul Pogba, der ebenso schillernde wie auch umstrittene Superstar noch immer nicht bei den fast täglichen Pressekonferenz der Franzosen auf dem Podium saß - Deschamps' Entscheidung. Der Trainer befinde, dass es nicht an der Zeit sei, erklärte dazu einmal Frankreichs Teamsprecher.

Genauso hat sich Deschamps nach der Unruhe um Pogbas vulgäre Geste beim Albanien-Sieg - dem „bras d'honneur“, der Hand auf dem Oberarm - aber öffentlich auch vor den 23-Jährigen gestellt. Er vertraue ihm.

Vertrauen ist ein Wort, das Deschamps oft gebraucht. Er habe Vertrauen in seinen 23-köpfigen Kader, hatte Deschamps vor dem EM-Anpfiff betont: „Wie sollen die Spieler an sich glauben, wenn ich beunruhigt wäre?“

Deschamps selbst beschränkt seine Äußerungen bei dieser EM auch auf die obligatorischen Pressekonferenzen vor und nach den Spielen. Womöglich auch eine Reaktion auf die Diskussionen und polemischen Anfeindungen vor der EM, vor allem ausgelöst durch den Vorwurf des suspendierten Karim Benzema, Deschamps habe sich einem rassistischen Teil Frankreichs gebeugt. Wenige Tage vor dem EM-Eröffnungsspiel wurde Deschamps Haus in Concarneau sogar mit dem Wort „Raciste“ beschmiert.

Eine problemfreie Vorbereitung auf eine EM sieht jedenfalls anders aus. Deschamps versuchte aber, sich nicht beirren zu lassen. So wie bei der anhaltenden System-Diskussion. Wie spielt Frankreich eigentlich? Bevorzugt 4-3-3, besser bislang aber im 4-2-3-1-System. „Es hängt von den Merkmalen des Gegners ab, ob du mit dem einen oder mit dem anderen besser spielst. Didier wählt sie mit Bedacht“, sagte Ex-Nationalspieler Patrick Battiston. Deschamps selbst konterte jüngst, dass Löw ja gegen Italien beispielsweise auch sein System geändert habe. Er sagte dabei auch, dass dieser ja durch seine Erfolge Kredit habe.

Deschamps war als Spieler pragmatisch, er ist es als Trainer erst recht. „Er zögert nicht, das zu wiederholen und zu demonstrieren“, kommentierte einmal „France Football“. 2014 auf dem Weg zum Duell mit Deutschland im Viertelfinale in Brasilien ließ er nach dem 3:0-Auftaktsieg gegen Honduras Pogba und Antoine Griezmann im zweiten Gruppenspiel zunächst auf der Bank. 2016 auf dem Weg zum Duell mit Deutschland im EM-Halbfinale ließ er nach dem 2:1-Auftaktsieg gegen Rumänien im zweiten Gruppenspiel Pogba und Griezmann erneut erstmal auf der Bank.

Er sieht sich als Verwalter seiner 23 Spieler an. Er lässt sie mitreden, das erklärten die Auserwählten selbst schon mehrfach. „Er kennt seine Truppe sehr gut“, sagte Ersatzkeeper Steve Mandanda: „Er weiß, was er in welchem Moment sagen muss“, erklärte der Torwart, der Deschamps aus gemeinsamen Marseille-Zeiten schon kennt. „Er will Großes erreichen“, sagte Routinier Patrice Evra über Deschamps. Die Zeit dafür ist nun gekommen.