Schatten des 13. November - dunkle Erinnerungen
Paris (dpa) - Als Deutschland und Frankreich zuletzt aufeinandertrafen, waren Sieg oder Niederlage am Ende völlig nebensächlich. Es war der 13. November.
Während des EM-Testspiels hörten Zuschauer im Stadion und am Fernsehbildschirm plötzlich schwere Detonationen - im Umfeld des Stade de France hatten sich drei Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. „Niemand erinnert sich an das Ergebnis, und das kann man verstehen“, sagt der Pariser Sport-Staatssekretär Thierry Braillard. Frankreich gehe daher mit einer „sehr speziellen Erinnerung“ in das Halbfinale gegen Deutschland am Donnerstag in Marseille.
Vor der EM wurde viel über die Terrorangst gesprochen - überschattet das weiter die EM?
Im Hintergrund ist die Furcht immer noch da. Viele Menschen wirken dünnhäutig. Das zeigte sich etwa am Wochenende, als aus einer Schlägerei in der Fanmeile am Eiffelturm kurzzeitig eine Massenpanik wurde und Menschen in Tränen ausbrachen. Oder beim Zusammenzucken der Zuschauer, wenn im Stadion ein Böller explodiert. Auch Polizeieinsätze wie beim Viertelfinale Frankreich-Island am Stade de France, als Beamte vorsichtshalber ein verdächtiges Auto aufsprengten, sorgen regelmäßig für sorgenvolle Kommentare in sozialen Medien - oft mit dem Tenor „jetzt ist es also wieder passiert“.
Er habe den Eindruck, dass die Franzosen zwischen Streiks, Anschlägen und Politik auf einem Pulverfass lebten, sagte der frühere Fußball-Weltmeister Youri Djorkaeff. In Paris gebe es eine große Anspannung. Und das Thema Terror begleitet die EM auch noch auf andere Weise: In mehreren Stadien und den Fanmeilen gab es Gedenkminuten für die Opfer der Anschläge von Istanbul, Orlando und Dhaka.
Können die Fans denn überhaupt entspannt feiern?
Zumindest die angereisten Fans lassen sich das Fußballfest von Terrorsorgen und strengen Kontrollen nicht vermiesen. Auf den Fanmeilen und in den Stadien wird ausgelassen gejubelt, mehr als eine Million Menschen werden allein auf der größten Feiermeile am Pariser Eiffelturm erwartet - obwohl gerade wegen der Sicherung solcher Massenevents vor der EM Bedenken laut wurden.
Welche Auswirkungen hatten die Anschläge vom 13. November auf die EM?
Die Sicherheitsvorkehrungen wurden deutlich verschärft. Der Weg ins Stadion ist ein Hindernislauf durch Kontrollpunkte, überall sind schwerbewaffnete Polizisten zu sehen. Auch wer die Fanmeile am Eiffelturm besuchen will, wird an drei Kontrollpunkten abgetastet, die Taschen durchsucht.
Wie ist die Sicherheitsbilanz bislang?
Die Terrorsorgen haben sich bei der EM bislang nicht bestätigt - auch wenn der islamistische Doppelmord an einem Polizistenpaar im Umland von Paris die anhaltende Bedrohung unterstrich. Dafür vermieste Hooligan-Gewalt den EM-Auftakt. Die Bilder von Tränengasschwaden in Marseille überlagerten die Szenen fröhlicher Fußball-Euphorie, die es schon da im ganzen Land gab. Die Behörden ziehen dennoch eine insgesamt positive Zwischenbilanz - und haben Vorwürfe gegen die Polizeitaktik stets zurückgewiesen.
Nach Angaben von Innenminister Bernard Cazeneuve gab es bislang mehr als 1000 Festnahmen im Zusammenhang mit dem Turnier. Solche Bilanzen umfassen nach früheren Angaben aber neben Gewalttaten etwa auch Diebstähle, Sachbeschädigungen und Trunkenheit.