Eigentor am Strandidyll? ZDF muss Kritik einstecken
Berlin (dpa) - Das ZDF hatte sich alles so schön ausgedacht: Eine geschwungene Bühne direkt am Ufer, dahinter eine Riesenleinwand mitten in der Ostsee, davor begeisterte Zuschauer im Sand - Sonne, Strand und Fußball eben.
Doch es gibt harsche Kritik am ZDF-Fußballstrand auf Usedom. Von einem „Rentner-Spektakel mit "Fernsehgarten"-Atmosphäre“ schreibt „Stern.de“, eine „Art AOK-Kongress“ beobachtet die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Bild“ titelt: „Mit dem Zweiten sieht man Wasser“.
„Die Kritik, die ich bisher auch in dieser Vehemenz gelesen habe, entspricht nicht den Rückmeldungen, die wir bekommen von unseren Zuschauern. Die ist nämlich überwiegend positiv“, sagte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz auf dpa-Anfrage. Das Konzept des Fußballstrandes sei, die Fans direkt ins Geschehen einzubinden, ihnen zu zeigen, wie Fernsehen und Fußball zusammenwirken, so wie in der Vergangenheit.
„Wir sind die deutsch-polnische Grenze abgefahren und haben uns dann ganz bewusst für einen Ort entschieden, der Polen ganz besonders nah ist“, erklärte ZDF-Chefredakteur Peter Frey im dpa-Interview. „Nach Polen oder in die Ukraine zu gehen, wäre keine Alternative gewesen. In Warschau oder Kiew hätte es nicht genug deutsche Fans gegeben, die unsere Sendung mitverfolgen können. Eine zweisprachige Sendung zu machen, das wäre sehr kompliziert gewesen und auch für die Fernsehzuschauer schwer zu verstehen.“
Tatsächlich fallen bei den ZDF-Übertragungen die Hubschrauberbilder vom Heringsdorfer Strand ins Auge; sehr oft wird nach Interviews von der Kamera auf schwappende Wellen, das sandige Ufer oder die bekannte Seebrücke geschwenkt. Zu viel Tourismus-TV, meinen die Kritiker. „Ich glaube nicht, dass das vom Fußball ablenkt“, entgegnet Gruschwitz. „Wir haben Sendeflächen von über sieben Stunden - von 16.15 bis 23.15 Uhr“, da brauche es auch Abwechslung. An Änderungen sei nicht gedacht, unterstreicht Chefredakteur Frey und zeigt sich optimistisch: „Unser Konzept wird sich auszahlen.“
Die leeren Stühle am Fußballstrand seien anfangs ein Problem gewesen. „Die Auslastung an den ersten beiden Sendetagen lag bei etwa 80 Prozent“, sei aber beim Spiel Deutschland-Holland auf „100 Prozent oder noch mehr“ gestiegen, sagte Sportchef Gruschwitz. Auch ab dem Viertelfinale sei die Arena mit rund 1200 Zuschauern immer ausverkauft - dafür habe die Bäderverwaltung gesorgt, die die Tickets vertreibt.
Doch auch ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein, im ZDF-Jargon KMH, ist nicht immer ganz auf Ballhöhe. Am Mittwochabend jubelte sie über den Sieg der Deutschen im zweiten Vorrundenspiel: „Das gab's nämlich auch noch nie“ - stimmt, außer bei der WM 2006 und bei den EM-Turnieren 1996, 1992, 1988...
Die ARD steht in der Kritikergunst besser da: Sie packt - ganz klassisch - ihre Experten Reinhold Beckmann/Gerhard Delling sowie Mehmet Scholl ins jeweilige Stadion und lässt sie vor gewohnter Kulisse analysieren, auch wenn das vom Hauptquartier in Polen aus viel Reiserei bedeutet. Außerdem landete das „Erste“ gleich beim ersten Deutschland-Spiel eher unfreiwillig einen Coup: Scholls harsche Kritik an Nationalstürmer Mario Gomez beherrscht seit Samstag die Schlagzeilen.
Frey dazu: „Naja, in Sachen Gomez lag jedenfalls (ZDF-Experte) Olli Kahn nicht schlecht. Und klassisch ist für mich kein Gütesiegel. Jeder verfolgt sein eigenes Konzept. Wir vom ZDF haben in Berlin 2006 und in Bregenz 2008 Fußballfeste zum Mitfeiern organisiert - und so wird es auch diesmal.“