Griechen geknackt: Deutschland mit 4:2 ins Halbfinale
Danzig (dpa) - Der Griechen-Beton ist zertrümmert, jetzt fehlt nur noch ein Schritt bis zum großen Finale. Nach dem 4:2 (1:0) im EM-„Heimspiel“ in Danzig darf sich Fußball-Deutschland auf einen echten Halbfinal-Klassiker gegen Italien oder England freuen.
Kapitän Philipp Lahm (39. Minute), Sami Khedira (61.), Miroslav Klose (68.) und Marco Reus (74.) belohnten das Team von Bundestrainer Joachim Löw mit ihren wunderschönen Toren für das unermüdliche Anrennen gegen die mit elf Mann verteidigenden Griechen.
„Ich glaube, wir können stolz sein auf diese Mannschaft. Wir haben es versäumt, aus unseren Chancen am Anfang Tore zu machen, aber es war klasse, wie die Mannschaft reagiert hat nach dem Ausgleich“, lobte Löw sein Team. Zehn Minuten nach dem Abpfiff gratulierte Bundeskanzlerin Andrea Merkel den Spielern in der Kabine. „Glückwunsch, weiter so!“, sagte die Regierungschefin. „Das ist natürlich nicht das Ende. Dieser Mannschaft ist so oder so alles zuzutrauen““, meinte der überglückliche DFB-Boss Wolfgang Niersbach.
Der Europameister von 2004 hatte vor 39 000 Zuschauern durch Georgios Samaras (55.) überraschend das 1:1 erzielt, doch dies war nur ein kurzer Schock. In der 90. Minute traf Dimitrios Salpingidis per Handelfmeter zum 4:2-Endstand.
„Wir haben es wieder einmal etwas spannend gemacht, aber nach dem Ausgleich das Tempo wieder hochgefahren. Es war ein verdienter Sieg“, analysierte Khedira, der seine starke Leistung mit dem zweiten Länderspieltor krönte. „Wir waren phasenweise zu leichtsinnig und zu langsam“, kritisierte Lahm, dessen 1:0 als Türöffner diente.
Zum Start in die K.o.-Runde machte Löw erstmals von seinem Bank-Kapital Gebrauch und nahm in der Offensivabteilung drei nicht unbedingt erwartete Wechsel vor. „Es war der Tag der Veränderungen heute. Ich hatte das Gefühl, nach drei Siegen etwas zu verändern“, begründete Löw seine Rotation. Nun soll am kommenden Donnerstag in Warschau der nächste Schritt zum Titel folgen.
In dem Geduldsspiel gegen die Betonabwehr der Griechen, die in 24 Länderspielen unter Rehhagel-Nachfolger Fernando Santos bis dahin nur zweimal verloren hatten, erwies sich vor allem der für Thomas Müller rechts aufgebotene Reus mit seiner Schnelligkeit als belebendes Element. Auch der für den dreifachen EM-Torschützen Mario Gomez erstmals in die Startelf berufene Klose unterstrich in seinem 120. Länderspiel, dass auf ihn Verlass ist. Mit 64 Länderspiel-Treffern fehlen ihm nur noch vier zur Bestmarke von Gerd Müller (68). Andre Schürrle, für Lukas Podolski ins Team gerückt, lief zwar mehrmals etwas kopflos in die griechische Abwehrwand hinein, ließ sich aber nicht entmutigen und suchte immer wieder den Abschluss.
In der Schaltzentrale liefen die Fäden wie erhofft bei Mesut Özil zusammen. Der Wahl-Spanier hatte viele Ballkontakte, doch nicht jeder seiner Pässe fand den richtigen Abnehmer. Die von Löw erhoffte „Explosion“ bei Özil blieb aus. Als Antreiber im Mittelfeld überzeugte Sami Khedira, der als erster die Härte der Griechen zu spüren bekam und gleich zweimal böse von Samaras gefoult wurde. An Bastian Schweinsteiger lief das Spiel dagegen weitgehend vorbei. Dem Münchner unterliefen viele Flüchtigkeitsfehler.
Mit überfallartigen Angriffen über die die neu besetzten Außenpositionen setzte die deutsche Mannschaft ihren Gegner sofort unter Druck. In der 4. Minute wurde ein Tor von Klose vom slowenischen Schiedsrichter Damir Skomina nicht anerkannt, weil der Angreifer zuvor beim Schuss von Khedira knapp im Abseits gestanden hatte. Bei dem folgenden Einbahnstraßen-Fußball Richtung griechisches Tor leistete sich das DFB-Team aber auch immer wieder Fehlpässe, die die Hellenen indes nicht zu nutzen wussten. Selbst bei Ballbesitz blieben meist sieben oder acht Spieler hinten.
Ein Doppelpass zwischen Reus und Klose eröffnete Özil die bis dahin beste Gelegenheit für das deutsche Team, doch statt entschlossen abzuziehen, schob der Regisseur den Ball Torhüter Michail Sifakis in die Arme (23.). Wenig später schoss der immer besser ins Spiel findende Reus aus guter Position am Kasten vorbei. Bundestrainer Löw ruderte am Spielfeldrand wie wild mit den Armen und schimpfte angesichts der ausgelassenen Chancen wie ein Rohrspatz.
Die deutsche Mannschaft suchte beinahe verzweifelt die Lücke im griechischen Beton, fand sie jedoch zunächst nicht. Als man schon mit einem torlosen Unentschieden zur Halbzeit rechnen musste, brach Kapitän Lahm mit seinem fünften Tor im 90. Länderspiel den Bann. Wie im WM-Eröffnungsspiel 2006 gegen Costa Rica kam der Außenverteidiger über links, schlug einen Haken in die Mitte und traf aus gut 20 Metern in die lange Torecke.
Mit deutschem Dauerdruck ging es nach der Pause weiter. Ein Ballverlust von Schürrle lud dann aber die Griechen zum Kontern ein. Lahm konnte Salpingidis nicht an der Flanke hindern und in der Mitte kam Jerome Boateng gegen Samaras zu spät, der die zweite Torchance des Spiels für die Hellenen zum Ausgleich nutzte. Die Korrektur gelang nur sechs Minuten später, als Khedira eine Flanke von Boateng volley unter die Latte jagte. Damit war der Abwehrwall endgültig geknackt. Klose per Kopf nach Freistoß von Özil und Reus im Nachschuss machten den verdienten Sieg perfekt.