In Frankreich geboren, bald beim BVB: Portugals Guerreiro
Marseille (dpa) - Portugals Raphael Guerreiro ist ein besonders stürmischer Verteidiger. Eigentlich hat der Millionen-Einkauf von Borussia Dortmund zunächst einmal die Aufgabe, den gegnerischen Rechtsaußen zu bewachen.
Aber diesen Spieß dreht der erst 22-Jährige auf seiner linken Seite gerne um.
Für das EM-Viertelfinale zwischen Polen und Portugal an diesem Donnerstagabend hätte das konkret bedeutet, dass sich der künftige Dortmunder Guerreiro keinesfalls nur darauf beschränkt hätte, auf den Vielleicht-bald-wieder-Dortmunder Jakub Blaszczykowski aufzupassen. Er hätte mit Sicherheit auch den Dauer-Dortmunder Lukasz Pisczek gleich dahinter in der polnischen Abwehr ordentlich beschäftigt. Doch jetzt werden die drei wahrscheinlich erst nach der Europameisterschaft in der BVB-Kabine aufeinandertreffen. Guerreiro fiel für das Spiel in Marseille verletzt aus.
Technisch gut, auf gleich mehreren Positionen einsetzbar: So charakterisiert Sportdirektor Michael Zorc seine Neuerwerbung vom französischen Club FC Lorient. Satte zwölf Millionen Euro lassen sich die Dortmunder den Guerreiro-Transfer kosten. Schon vor einem Jahr wollten der AC Mailand und Paris St. Germain ihn holen, jetzt gab es angeblich auch mehrere Interessenten aus England. „Wir sind froh, dass er sich für Borussia Dortmund entschieden hat“, sagte Zorc.
Einige Beobachter in Portugal meinen, für einen großen Verein in einer großen europäischen Liga könnte Guerreiro noch etwas zu unbedarft sein. Der BVB hat ihn aber gerade wegen seiner Schnelligkeit und wegen seines Offensivdrangs geholt. Die Furchtlosigkeit des 22-Jährigen imponiert den Borussia-Bossen.
Frage an Guerreiro während der EM: Was können die so schlecht gestarteten Portugiesen bei diesem Turnier noch erreichen? Antwort: „Unser oberstes Ziel ist das Finale.“ Eine andere Frage: Waren die Kroaten im Achtelfinale nicht besser? Antwort: „Wenn sie besser gewesen wären, wären sie weitergekommen, nicht wir.“
Diese EM ist seine EM - nicht nur, weil sie das erste große Turnier seiner Karriere ist. Guerreiro wurde in Le Blanc-Mesnil in Frankreich geboren, seine Mutter ist Französin, sein Vater Portugiese.
Im Alter von zwölf Jahren zog er zusammen mit Paul Pogba (Juventus Turin) und Raphael Varane (Real Madrid) in die berühmte Akademie des französischen Fußball-Verbandes in Clairefontaine. Doch während seine beiden Jugendfreunde längst für Les Bleus spielen, entschied sich Guerreiro im Alter von 19 Jahren für Portugal. „Schon als ich klein war, habe ich immer mit den Portugiesen mitgefiebert und nicht so sehr mit den Franzosen. Ich habe Portugal in meinem Herzen“, sagte er. Zu dieser Geschichte gehört allerdings auch, dass er sich als Jugendspieler gerade in der Zeit das Bein brach, als die Franzosen ihn zum ersten Mal für ihre Jugendnationalelf nominieren wollten. Nach dieser Verletzung verloren sie ihn aus den Augen.
Rund 1,2 Millionen Portugiesen leben in Frankreich. Neben Guerreiro sind noch zwei weitere seiner Nationalmannschafts-Kollegen im Land des EM-Gastgebers aufgewachsen. Torwart Anthony Lopes von Olympique Lyon und Mittelfeldspieler Adrien Silva von Sporting Lissabon. „Diese EM“, sagte Guerreiro schon vorher, „war immer mein großes Ziel.“