Kupfers Euro 2012: Beim Spanier
Olaf Kupfer berichtet für unsere Zeitung aus Polen und der Ukraine.
Man kann beim Spanier essen gehen, Kurzpassspiel lernen oder eine Pressekonferenz besuchen. Erstes ist in Polen nicht leicht, Zweites kann der Deutsche ja nun auch, Letzteres haben der Kollege aus dem Ostwestfälischen und ich versucht. Fazit: Man muss nur mal ins Ausland schauen, wenn man das Heimische wieder schätzen will.
Beim Spanier sitzt man in einem Hörsaal und setzt sich in die erste Reihe, es könnten ja Kommunikationsprobleme drohen. Zauberer Iniesta und Übungsleiter Del Bosque betreten den Raum, setzen sich — und sind weg. Verschwunden hinter gewaltigen Bildschirmen vor ihren Köpfen, auf denen spanische Banken oder Getränke ihr Bestes bewerben.
Iniesta soll ja ein schüchterner Mann sein, seine Antworten aber sind von erstaunlicher Länge, fast auf Löw-Niveau, ohne jedes „schon aaauuuch“. Es folgt schnell die Übersetzung ins Englische. Der Eindruck steht: Wer viel redet, aber wenig sagt, den lässt so ein Dolmetscher gnadenlos auffliegen.
Während im DFB-Medienzentrum hübsche Frauen das Mikrofon tragen, eilt im spanischen Berichterstatter-Verschlag ein Mann umher: Tätowiert, Ohrringe, kurze Mallorca-Hose. Harald Stenger wiederum ist hier eine gestrenge Frau. Die dem Kollegen aus dem Ostwestfälischen zuerst deutet, seinen Fragewunsch registriert zu haben, um ihn dann verhungern zu lassen.
Zu allem Überfluss funktioniert kein Mikrofon, trotzdem spricht jeder spanische Kollege treuherzig hinein. Und die Fotografen testen bei jeder Antwort die Belastbarkeit ihrer Speicherkarte. Spanien, das ist das Fazit, ist so herrlich unvollkommen. Vielleicht werden sie trotzdem Europameister.