FIFA am Scheideweg - Niersbach glaubt an Reformen
Zürich (dpa) - Am frühen Morgen legte sich noch der Nebel wie ein Schleier um das FIFA-Hauptquartier.
In dem pompösen Gebäude auf dem Zürichberg liefen da schon die Vorbereitungen für die Sitzung, die im Fußball-Weltverband den Weg zu einer skandalfreien Zukunft ebnen sollte - so zumindest die Hoffnung der selbsterklärten Reformkräfte um Ex-DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. „Ich gehe davon aus, dass es eine Mehrheit für die notwendigen Veränderungen gibt“, sagte Niersbach der Deutschen Presse-Agentur vor seinem ersten Auftritt bei der FIFA nach seiner DFB-Demission.
Im Gegensatz zu Niersbach, der die FIFA-Zentrale wie fast alle Kollegen durch die Tiefgarage betrat, marschierte der einflussreiche Sportfunktionär Scheich Ahmad Al-Fahad Al-Sabah durch den Haupteingang und gab sich im rosafarbenen Hemd ganz optimistisch. „Heute ist der der Tag für Reformen gekommen. Wir sind auf dem richtigen Weg. Drücken Sie die Daumen“, sagte der Kuwaiter am Mittwoch vor der Sitzung des FIFA-Gremiums. Bei der FIFA hat sich der Strippenzieher allerdings noch nicht als Reformkraft hervorgetan.
Auf den Tag genau fünf Jahre nach der skandalösen Doppel-WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022, mit der die große FIFA-Krise ihren Anfang nahm, begann das Exekutivkomitee seine Beratungen über die Vorschläge ihrer selbst einberufenen Reformkommission, die in knapp fünf Monaten ihrer Arbeit bislang vor allem eines bekam: Kritik.
Wie sehr sich die Fußball-Weltregierung seit 2010 verändert hat, verriet ein Blick auf die Teilnehmerliste: Nur sechs der 24 Wahlmänner von 2010 sind noch in Amt und Würden, fast ein Dutzend ist verbandsintern gesperrt oder sogar im Visier der Justizbehörden - inklusive des suspendierten Präsidenten Joseph Blatter.
Niemand konnte sich auf dem Zürichberg so recht daran erinnern, wann der 1998 zum Präsidenten gekürte Blatter zuletzt bei einer regulären Exko-Sitzung nicht dabei war - insofern hatte das für zwei Tage ausgelegte Meeting historischen Charakter. Ob es für die Geschichtsbücher auch inhaltlich reicht, hing aber von den Reformentscheidungen für mehr Demokratie und Transparenz ab.
Eine Altersbeschränkung für Funktionäre auf 74 Jahre und eine Limitierung der Amtszeit auf 12 Jahre galt als wahrscheinlich - auch das ist schon erstaunlich genug, denn genau solche Vorschläge waren von den meisten Funktionären im Juni 2014 beim Kongress in Sao Paulo noch kategorisch abgelehnt worden und fanden sich so nicht in ersten Papieren der Reformkommission.
Jetzt geht der Forderungskatalog von Reformkommissionschef Francois Carrard, der zunächst durch ungewöhnliche Lobhudelei für Blatter aufgefallen war, weiter. Tatsächlicher Architekt des Demokratisierungsprogramms soll aber Domenico Scala, der Chef der FIFA-Compliancekommission, sein. Wie ernst es für die Funktionäre ist, machten noch am Dienstagabend mehrere FIFA-Sponsoren wie Adidas mit einer gemeinsamen Forderung nach Veränderung deutlich.
Einschneidende Veränderungen bei Struktur und Zusammensetzung der Führungsgremien sollen in Carrards Papier stehen. Das Exekutivkomitee könnte die Basis für eine Selbstauflösung legen. An seine Stelle könnte ein Aufsichtsrat und eine Management-Board treten. Beschließen kann die Statutenänderungen ohnehin erst der FIFA-Kongress am 26. Februar, bei dem auch ein Nachfolger für Blatter gekürt wird.
Aber sind die Exko-Mitglieder bereit, den Funktionärsselbstmord zu begehen? Viele würden bei einer Neuordnung Posten und Einfluss verlieren - wie angesichts der Ungereimtheiten um die WM 2006 möglicherweise auch Niersbach. Eine Opposition gegen den 65-Jährigen soll sich schon im Exko formiert haben. Gegenwind kommt offenbar von „dem spanischen Freund“, wie man ironisch munkelt - FIFA-Vize Angel Maria Villar Llona, einem alten Blatter-Vertrauten.