Düsseldorf im Fortuna-Rausch

Noch nie war der Verein so präsent in der Stadt wie jetzt. Das freut die Funktionäre und ärgert die DEG.

Düsseldorf. Montagabend an der Supermarkt-Kasse in Derendorf: „Eins eins“, schreit der Kassierer nach dem schnellen Blick aufs Handy und die Schlange am Band bricht in kollektiven Jubel aus.

Fortunas Maximilian Beister hat in Frankfurt gerade den Ausgleich erzielt. Vor ein paar Jahren hätten die Derendorfer, die hier einkaufen, vermutlich gar nicht gewusst, dass der Verein gerade ein Spiel hat. Doch jetzt ist Düsseldorf im Fortuna-Rausch. Nie vorher war der Klub im Stadtbild so präsent.

Musste man früher nach Fan-Artikeln der Rot-Weißen suchen, bekommt man sie jetzt in jedem Souvenirshop, in jedem Kiosk. Seit dem Aufstieg in die zweite Bundesliga 2009 hat sich die Zahl der Fanartikel-Verkaufsstellen von 15 auf 25 erhöht. 1,3 Millionen Euro Umsatz macht der Club mit Schals, Fahnen, Stickern, Gartenzwergen . . .

Touristen, die ein Mitbringsel suchen, kommen an Fortuna nicht mehr vorbei. So geht es auch den Kiosk-Kunden von Ali Birjandi an der Blücherstraße in Pempelfort: „Bei mir gingen die Fortuna-Grillschürzen und -Becher zuletzt gut.“

Bei Karstadt-Sport gibt es Lieferengpässe bei den Trikots. „Früher war das Bayern-Trikot das meistverkaufte, jetzt ist es das von Fortuna“, sagt ein Mitarbeiter.

Noch mal Montagabend, Cranachstraße in Flingern: Ein „Jaaaaaaaaa!“ aus dem Cranach-Eck zerreißt die laue Abendluft und verhallt in der Straße. Der Ausgleich.

Auf dem Platz von Agon 08 in Mörsenbroich wimmelt es von kleinen Fußballern. Über 200 Kinder besuchen die Fußballschule des Vereins. Vor drei Jahren jagten kleine Ballacks und Raúls dem Ball hinterher — jetzt steht Langeneke oder Lambertz auf dem Rücken.

Agon-Vorsitzender Manfred Novacek: „Die Väter geben die Fortuna-Liebe wieder guten Gewissens an die Kleinen weiter.“ Fast die Hälfte der Kinder trägt das Wappen von „F 95“ auf der Brust. 950 Mitglieder der Fortuna sind unter 14 Jahre alt. Die Mitgliederzahl (etwa 6500) hat sich seit 2009 mehr als verdreifacht. 10 300 Dauerkarten wurden jetzt verkauft.

Zahlen, die Manager der Düsseldorfer EG blass werden lassen. Beim Verein mit dem zweitgrößten Fan-Potenzial mühen sich am Donnerstag Eishockey-Profis als Call-Center-Agenten ab, um ehemalige Dauerkarten-Besitzer zum erneuten Erwerb zu bewegen. Ob’s was bringt? In den Souvenirshops ist von der DEG — mit sieben Meisterschaften mehr dekoriert als Fortuna — jedenfalls nichts zu sehen.

DEG-Sprecher Frieder Feldmann, selbst bekennender Fortuna-Fan, findet das nicht ganz in Ordnung: „Die Stadt ist groß genug für zwei Vereine, aber ich wünsche mir eine andere Betrachtungsweise.“

Bei der DEG seien zuletzt im Durchschnitt „nur“ 5180 Zuschauer gekommen, und man wurde 2009 „nur“ Vizemeister. „Bei Fortuna heißt es nicht: ,nur’ gegen Paderborn und Ingolstadt und ,nur’ 2. Liga.“ Feldmann hat als Fortune die Tour über die Oberliga-Dörfer erlebt: „Da hat sich niemand für F 95 interessiert.“

Er weiß auch, dass Neu-Fans bei Misserfolg schnell wieder weg sind. Die DEG konnte Sympathisanten, die in den 90ern auf der Erfolgswelle mitschwammen, nicht binden. Dass Fortuna das auch passiert, bezweifelt Vorstand Paul Jäger: „Wir tun mit Aktionen an Schulen und für Erstsemester oder dem Fortuna-Kreißsaal und sozialen Projekten viel dafür, dauerhaft Fans zu gewinnen.“

Die erste Feuertaufe in Sachen Fantreue habe die neue große Fortuna-Familie vergangene Saison bei sechs Pleiten in Folge bestanden.

Wieder Montagabend, Fußgängerzone in Benrath: Volle Kneipen, leere Gassen. Durch offene Fenster dringt die Übertragung des Spiels. 1:1, Jubel — Remis in der Fremde, in der Heimat hat Fortuna längst gewonnen.