Abstiegskampf Fortuna Düsseldorf - Rette sich, wer kann
Der Zweitligist droht, nach weiteren neun Spielen abzusteigen. Die Gründe dafür sind hart erarbeitet. Jetzt gilt nur noch: Irgendwie über den Strich.
Düsseldorf. In Wilhelmshaven ist die Luft gut. So gut, dass Wolf Werner schon länger nicht mehr aus seinem Wohnsitz nach Düsseldorf gekommen ist, wo der heute 73-Jährige sieben Jahre lang als Manager und Sportvorstand an der erfolgreichen Wiederbelebung von Fortuna Düsseldorf mitgewirkt hatte. Werner gehört zur guten Erinnerung an eine Fortuna, die es von der vierten Liga bis ins Oberhaus geschafft hatte, die wieder zu Geld gekommen und ein Versprechen für die Zukunft war. Fortuna? „Ein schlafender Riese“, befand Günter Netzer seinerzeit. Werner findet den damaligen Erstliga-Abstieg noch heute „so unnötig wie ein Kropf“.
Aber jetzt, fast drei Jahre nach diesem am letzten Spieltag 2013 gekrönten Fiasko, ist alles noch viel schlimmer. Relegationsplatz 16 in der 2. Bundesliga, nur noch neun Spiele, es droht der Absturz in die 3. Liga. Werner und die alten Haudegen um Ex-Vorstand Peter Frymuth oder Ex-Finanzchef Werner Sesterhenn bewegt das. „Das geht richtig an die Nieren, das tut richtig weh“, sagt Werner. Ab und an spricht er mit den alten Kollegen. Was laut Werner gegen Fortuna spricht: „Düsseldorf ist der Verein im Abstiegskampf, bei dem der Trend negativ ist.“ Und für Fortuna? „Die Qualität der Mannschaft ist gut genug. Es geht jetzt nicht mehr um ein System, es geht ausschließlich um ein kompaktes Team, das sich Punkt für Punkt erkämpft. Das muss der Trainer hinbekommen. Und er muss dafür die besten Spieler finden.“
Um jene Aufgabe ist Trainer Marco Kurz nicht zu beneiden. Erst seit sechs Spielen trägt der gebürtige Schwabe die Verantwortung, 0,67 hat er im Schnitt pro Spiel geholt — kein guter Wert. Sein Problem: Selbst, wenn die Mannschaft sich unter Kurz ansehnlich aufzubäumen scheint, bricht sie beim ersten Rückschlag ein. Ein typisches Zeichen für totale Verunsicherung und wenig nachhaltiger Struktur.
Kurz arbeitet mit einer Mannschaft, die ein Flickenteppich ist. Ein zu großer 29-Mann-Kader, gebastelt von zu vielen Köpfen (Wolf Werner, Helmut Schulte, Rachid Azzouzi), mit zu vielen unterschiedlichen Ideen. Vom Vorhaben, in einem Übergangsjahr eine neue, junge Mannschaft aufzubauen, ist nicht viel geblieben: Die jungen Spieler spielen fast nicht. Und angedachte Pfeiler wie Julian Koch, Adam Bodzek, Mathis Bolly, der nun verletzte Christian Strohdiek oder Kapitän Karim Haggui funktionieren nicht. In dieser Gemengelage verliert selbst der vom Hamburger SV bis Saisonende verliehene Kerem Demirbay an Wert. Der 22-Jährige könnte als überdurchschnittlicher Fußballer in einem funktionierenden Gefüge seinen Wert potenzieren. Er ist aber überfordert, wenn er als Führungsspieler ein Team durch den Zweitliga-Abstiegskampf lotsen soll, dessen Mitglied er im Sommer nicht mehr sein wird.
Das gilt auch für andere, vor allem Offensive: Joel Pohjanpalo, der gerade für eine Woche wegen eines nächtlichen Ausflugs zur Unzeit suspendiert wurde, gehört im Sommer wieder Leverkusen. Nikola Djurdjic geht zurück an Augsburg. Didier Ya Konan war — zugegeben — eine Chance, entwickelte sich aber zum zu satten Rohrkrepierer. Da fehlt dann offensiv etwas bei erst 21 Toren in 25 Spielen, was Hoffnung macht für neun Spiele — darunter gegen Kaiserslautern, Leipzig, St. Pauli oder Braunschweig, aber auch gegen Konkurrenten wie Arminia Bielefeld oder den FSV Frankfurt. Diagnose: Fortuna Düsseldorf hat — ständig getrieben von der Erwartung, den Erstliga-Abstieg des vermeintlich schlafenden Riesen schnell wieder zu korrigieren — so viele Umbrüche hinter sich, dass der Verein darüber seine Identität zu verlieren droht.
Kurz will dagegen anarbeiten. „Nicht wegducken, nicht hadern, hinstellen“, formuliert der stahlharte Manndecker aus einer Zeit, als es noch Manndecker gab. Passend für ein Spiel wie jenes morgen beim SV Sandhausen (13.30 Uhr). „Wenn wir mutig sind, werden wir die Situation meistern.“ Kurz spricht ruhig. Azzouzi sagt, jetzt sei der Zeitpunkt, an dem dem Abstiegskampf alles unterzuordnen sei. Mutig waren sie in Freiburg, der 2:1-Sieg im Breisgau vor einigen Wochen sollte die Wende zum Guten sein. Es war das beste Düsseldorfer Spiel seit langem. Aber im Sieg wurden gleich die nächsten Fehler gemacht. Am Ende der Saison werde man noch einen einstelligen Tabellenplatz erreichen, sagte Interims-Vorstand Paul Jäger. Der Ligaerhalt als Klacks? Nach dem 2:2 gegen Nürnberg folgten Pleiten gegen 1860 München, Bochum und Karlsruhe.
Manche verfallen dem Wahn, ein anderer als Kurz müsse bald auf die letzten Meter retten. Was nur der nächste Fehler wäre. Wer jetzt nicht zur Entscheidung für den 46-Jährigen trotz einer zuvor möglichen Verpflichtung des erfahrenen Friedhelm Funkel stünde, machte sich lächerlich.
Aber wer sollte das auch entscheiden? Vieles dreht sich ganz gewiss, wenn im Mai der neue Vorstandschef Robert Schäfer kommt. Dann wohl vom Zweitliga-Aufsteiger Dresden — mit persönlichem Rückfahrticket für Liga drei? Schäfer gilt als schlauer Kopf. Er kann sanieren und einen schlingernden Verein auf Kurs bringen, heißt es. Aber Schäfer ist die Zukunft. In der Gegenwart versucht ein quasi machtloser Interimsvorstand mit Paul Jäger zu retten, was zu retten ist. Allein gelassen vom Aufsichtsrat. Ein Gremium, das jeden Tag beten muss, dass das Wagnis mit der Warterei auf Schäfer und die vielen vom Aufsichtsrat forcierten Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre nicht in der 3. Liga enden.
Allein im Wirtschaftsbericht von 2015 waren 1,6 Millionen Euro für Abfindungen eingestellt. Erst in diesem Jahr werden die Posten Helmut Schulte (Ex-Sportvorstand), Dirk Kall (Ex-Vorstand, Vertrag läuft bis zum 31. Januar 2017) und Frank Kramer (Ex-Trainer) auftauchen. Aber: So teuer wie ein Abstieg ist nichts anderes. Allein sieben Millionen Euro TV-Geld gäbe es weniger. Aber noch ist es nicht soweit. Fortuna heißt doch immerhin auch: Glück.