Herr Karaman, wie geht es Ihnen derzeit?
Fortuna Düsseldorf Kenan Karaman: „Es war absolut richtig, die Euro abzusagen“
Düsseldorf · Kenan Karaman war nach der Winterpause langsam wieder eingestiegen - nach seiner langwierigen Lungenerkrankung. Und er hatte mit seinen Toren gegen Hertha (3:3) und in Mainz (1:1) gezeigt, wie wertvoll er für die Fortuna ist. Nun hatte er (zwangsweise) Zeit, seine Fitness komplett aufzubauen. Wir sprachen mit dem Stürmer von Fortuna Düsseldorf.
Kenan Karaman: Gesundheitlich geht es mir ganz gut, und es passt alles. Wir trainieren wieder. Es tut gut, dass man mal aus den vier Wänden rauskommt und die Jungs wiedersehen kann. Wieder auf dem Platz zu sein, auch wenn wir nicht das normale Mannschaftstraining absolvieren können, ist sehr gut für den Kopf. Ich hatte gehofft, dass es schon am Donnerstag eine Entscheidung gegeben hätte, dass wir wieder spielen dürfen. Bei jedem kribbelt es, und ich kann es kaum abwarten. Die dann ein wenig einkehrende Normalität wäre auch nach außen ein Zeichen, dass es wieer bergauf geht.
Ging Ihnen das nicht sehr auf die Nerven, so lange individuell trainieren zu müssen?
Karaman: Das war bei mir nicht so schlimm, weil ich ja rund um den Jahreswechsel viel allein arbeiten musste. Ich war also etwas besser darauf vorbereitet, als die Mitspieler. Aber die Abwechslung im Alltag tut schon gut.
Wie wirkt das eingeschränkte Training derzeit auf Körper und Geist?
Karaman: Das war definitiv eine Umstellung, auch wenn wir jetzt in größeren Gruppen trainieren. Es war schon gewöhnungsbedürftig, in der ersten Woche nur zu zweit im Training zu sein. Das Trainerteam macht da einen guten Job, weil es versucht, sehr variabel zu arbeiten. Die Übungen sind abwechslungsreich und fordernd.
Wäre Fortuna dann in zwei Wochen perfekt vorbereitet auf einen möglichen Start?
Karaman: Zu 100 Prozent werden wir aufgrund der Gegebenheiten nicht vorbereitet sein. Es fehlt auf jeden Fall das eine oder andere Testspiel, wenn man quasi von Null auf Hundert sofort ernsthaft spielen müsste. Auch auf die Atmosphäre von Geisterspielen kann man sich nicht perfekt vorbereiten. Mental muss mehr gemacht werden, als sonst. Körperlich sind wir fit genug.
Wird der Re-Start für jüngere Spieler schwieriger sein als für erfahrene?
Karaman: Das könnte sein, andererseits gehen jüngere Profis vielleicht unbekümmerter an die Sache heran. Wenn man nicht so viel nachdenkt, ist das ja manchmal besser. Das werden wir aber im Team gut hinbekommen?
Haben Sie eine gewisse Vorstellung, wie so ein Geisterspiel ablaufen wird?
Karaman: Im Augenblick denkt man darüber nicht so viel nach. Wenn dann feststeht, wann es wieder losgeht, werden sich alle intensivere Gedanken machen. Gerade auch weil wir sonst immer super von unseren eigenen Fans unterstützt werden. Da ist nun eben viel Eigenmotivation gefragt.
Wird es Spieler geben, die Angst haben werden, ob sie sich im Zweikampf anstecken könnten?
Karaman: Ich glaube, wenn der Schiedsrichter angepfiffen hat, werden sich alle nur noch auf das Spiel fokussieren. Dann verschwinden alle Gedanken an Corona und man freut sich, wieder auf dem Platz zu stehen.
Und die Vielzahl der angekündigten Tests stört Sie nicht?
Karaman: Nein, eher im Gegenteil. Das finde ich sogar gut, wenn es regelmäßig gemacht wird. Wenn wir schon die Erlaubnis erhalten zu spielen, dann sollte man diese Maßnahmen auch durchführen. Wir dürfen mit der ganzen Geschichte nicht leichtfertig umgehen. Aufgrund meiner Krankengeschichte denke ich, dass das auch so sein muss.
Ist auch die Tabellensituation derzeit in der Mannschaft trotzdem ein Thema?
Karaman: Das ist es, und der Trainer macht uns unsere Lage häufiger bewusst, um auch fokussierter an den Schwächen arbeiten zu können. Derzeit konzentrieren sich wirklich alle sehr aufs Training und versuchen die Spannung hochzuhalten. Wenn’s losgeht, werden wir um jeden Punkt kämpfen.
Wie enttäuschend ist es für Sie als aktueller türkischer Nationalspieler, dass die Fußball-Europameisterschaft vor vier Wochen abgesagt wurde?
Karaman: Ich war schon traurig trotz allen Verständnisses. Aber wenn ich zurückblicke auf die Zeit, als ich krank war, stand die Fortsetzung meiner gesamten Karriere noch in den Sternen. Es war absolut richtig, die EM abzusagen, auch im Hinblick auf die vielen Reisen.
Ist die Sonderstellung des Bundesliga-Fußballs gerechtfertigt?
Karaman: Ich habe da eine ganz neutrale Einstellung. Falls die Politik es so entscheidet, dass wir spielen können, dann werden wir als Profis unserem Job nachgehen. Fußball ist nun mal die populärste Sportart der Welt. Wenn man alle Sicherheitsvorkehrungen einhält, finde ich es dann auch sinnvoll, den Fußball zu retten.