Wechsel zur U23 Oliver Fink: Fortunas Antreiber tritt kürzer

Düsseldorf · Seit Jahren ist Oliver Fink das Gesicht der Fortuna. Mit nun 38 Jahren ist Schluss in der ersten Mannschaft, aber er bleibt dem Verein treu, wechselt zum Regionalliga-Team. Danach soll er einen Posten im Klub bekommen.

Einer der größten Momente in Oliver Finks Zeit bei der Fortuna: Sein Jubel nach dem Siegtor in der Nachspielzeit bei Hannover 96.

Foto: dpa/Swen Pförtner

Am Donnerstagabend hätte Düsseldorf gebannt vor dem Fernseher gesessen. Hätte die Fortuna in den Wochen zuvor nur zwei ihrer zahlreichen Führungen ins Ziel gebracht, sie würde nun dem FC Heidenheim in der Relegation der beiden Fußball-Bundesligen gegenüberstehen. Für Oliver Fink hätte das aber wohl nur theoretisch gegolten, seit Wochen plagt er sich mit den Folgen einer Verletzung herum, in den entscheidenden Spielen vor dem Abstieg kam er nicht mehr zum Einsatz. Insgesamt spielte der Kapitän seit dem Trainerwechsel zu Uwe Rösler nur 23 Minuten, stand nicht einmal in der Startelf.

Nun redet trotzdem alles über Oliver Fink, weil der nach elf Jahren im Verein noch mal einen neuen Vertrag bei der Fortuna unterschrieben hat. Allerdings für die zweite Mannschaft in der Regionalliga. Mit „seiner außergewöhnlichen Disziplin“ sei der 38-Jährige „ein großes Vorbild für viele junge Fußballer“, wird Sportvorstand Uwe Klein in einer Mitteilung des Vereins zitiert. „Deshalb war die Idee, ‚Olli‘ als Führungsspieler in die U23 einzubinden, schnell geboren.“

Für die Fortuna ergibt das durchaus Sinn. Sie hält einen Sympathieträger im Klub, von dem die nächste Generation lernen kann. Die Frage ist nur, warum Fink es sich noch antut, vor nicht selten wenigen hundert Zuschauern die Knochen hinzuhalten? „Ich finde den Sport nach wie vor faszinierend“, sagt er, „und nach dem Training geht es mir besser als vor dem Training. So lange ich das Gefühl habe, werde ich mich sowieso bewegen, und dann freue ich mich natürlich, wenn ich Fußball spielen kann.“

Experte in Sachen Fitness und Ernährung

Fußball spielt der gebürtige Bayer schon sein ganzes Leben. Knapp 20 Jahre davon als Profi. Das schaffen nicht viele, die körperliche Belastung ist enorm, auch Fink war immer wieder verletzt. Doch er kam stets zurück, weil er auf sich achtet wie kaum ein Zweiter. „Er weiß alles über Fitness und Ernährung“, hat sein Ex-Trainer Friedhelm Funkel mal über ihn gesagt. Seit Jahren macht Fink vor und nach jedem Training spezielle Übungen, legt immer wieder Extraschichten ein, „davon profitiere ich heute“, erzählte er vergangene Saison.

Da wusste er aber bereits, dass es in naher Zukunft dennoch nicht mehr für eine tragende Rolle in der Bundesliga reichen wird. Ursprünglich sollte es in die USA gehen. Doch davon nahm er nun Abstand, was nicht ausschließlich mit dem Coronavirus zu tun hat: „Es war vorher schon ein Thema, mit 38 ist es auch nicht so, dass die auf mich warten. Aber durch die Pandemie ist es jetzt erst recht unwahrscheinlich, das umzusetzen.“

Den Traum von der weiten Welt trägt er schon lange in sich. Weil so gut wie all seine Freunde im Studium ein Auslandssemester absolvierten und davon schwärmten. Doch als Fußballprofi konnte er nicht mal eben für ein paar Monate weg, und ein sportlicher Wechsel in ein anderes Land hatte sich nie ergeben. Aufgeschoben heißt allerdings nicht aufgehoben: „Ich werde mir nach der Karriere die Welt anschauen.“

273 Pflichtspiele, 24 Tore, 27 Vorlagen

Die kann aber noch etwas warten, es muss nicht bei einem Jahr in der U23 bleiben: „So lange es mir körperlich gut geht und ich Spaß habe, werde ich das machen“, sagt er – wohl wissend, „dass die Zeit endlich ist“. Er gehe nicht so weit, einen „körperlichen Preis“ dafür zu zahlen, und „dass ich später mit meinem Sohn nicht mehr Fußball spielen kann“.

Doch egal, wie lange seine aktive Karriere noch andauert, seinen Platz in der Vereinschronik hat Oliver Fink längst sicher. Wie sonst wohl nur Adam Bodzek steht er für die Fortuna seit dem Umzug vom Flinger Broich in die Arena. 273 Pflichtspiele, 24 Tore, 27 Vorlagen, zwei Aufstiege, zwei Abstiege. Ob Mitspieler, Trainer, Manager oder Vorstände – alle kamen und gingen, Fink war immer da. Und wenn er doch mal abgegeben werden sollte, hingen die Fans ein Plakat vor die Kurve: „Fink muss bleiben“, stand drauf. Er blieb. Es gibt Teenager in Düsseldorf, die kennen die Fortuna ohne Oliver Fink gar nicht.

Das war so nicht abzusehen: Als die Fortuna 2009 seine Verpflichtung bekanntgab, scherzten einige, der Klub habe sich wohl vertan und den falschen Fink aus Unterhaching geholt. Anton Fink war damals ein veritabler Torjäger, 2009 war er mit 21 Treffern gar der beste der dritten Liga. Doch statt dem kam ein schlaksiger Mittelfeldmann, den kaum einer auf dem Zettel hatte. Sicher kein Schlechter, hieß es, aber wohl einer, der ein paar Jahre bleibt und schnell in Vergessenheit gerät. Wie es mit Dutzenden in Fortunas Aufzugjahren seit der Jahrtausendwende passiert ist.

Kondition, Einsatz und unnachahmliche Grätschen

Doch Fink biss sich durch, wurde Kapitän eines Bundesligisten. Das schaffte er nicht als fußballerischer Feingeist, sondern stets als Arbeiter im Maschinenraum. Er hat eine gute Übersicht, ein kluges Stellungsspiel und für sein Alter bis zuletzt ein beeindruckendes Tempo, aber Kondition, Einsatz und unnachahmliche Grätschen – das waren seine Stärken. Hin und wieder traf er auch das Tor. Gern in wichtigen Spielen, wie vergangene Saison am letzten Spieltag vor der Winterpause in Hannover. Da schoss er in der Nachspielzeit das 1:0, ein entscheidender Sieg und der Grundstein für die überragende Rückrunde. Die war wohl Finks schönste Zeit. Und dank ihm auch die beste Saison der Fortuna seit Jahrzehnten. Nach dem 2:0 über den VfB Stuttgart, Fink hatte ein Traumtor in den Winkel erzielt, nannte ihn Trainer Funkel gar „wichtig für Fortuna, ja für die ganze Stadt“.

Dass er dies mit 36 noch mal erleben würde, hätte er sich einige Monate zuvor nicht träumen lassen. Wegen einer Wadenverletzung trainierte er monatelang individuell. Im Trainingslager vor der ersten Saison nach dem Aufstieg beschäftigte er sich mit dem Ende: „Vielleicht mache ich noch ein, zwei Spiele.“ Drei Jahre zuvor stand ein Abschied ebenfalls schon mal im Raum. Der große FC Bayern wollte ihn für seine zweite Mannschaft holen. Uli Hoeneß bemühte sich persönlich um den gebürtigen Oberpfälzer, versprach ihm einen Anschlussvertrag im Klub. Doch Fink lehnte ab, er wolle es noch mal oben versuchen. Nun, vier Jahre später, geht er den Schritt zurück. Bei der Fortuna. Erst bei der U23, später im Verein.

Wie die Stelle genau aussehen wird, weiß er noch nicht. Nur weil er ein erfolgreicher Fußballer ist, muss er nicht gleich alles können. „Ich habe ja keine Ausbildung. Abitur, Zivildienst, seitdem bin ich Fußballprofi. Da muss man erst mal nach Talenten und Fähigkeiten gucken, wie man dem Verein helfen kann“, sagt er. Grundsätzlich sei er „erst mal froh, dass die Fortuna mir die Chance gibt, auch im Anschluss einen Posten zu finden.“ Der dürfte im sportlichen Bereich liegen, „da habe ich meine Expertise, deswegen wäre es sinnig, da erst mal reinzuschnuppern und vielleicht ein paar Trainerscheine zu machen“. Erstmal müsse er lernen.

Beliebt und freundlich, aber niemals anbiedernd

Diese Demut unterscheidet ihn von vielen Fußballern. Auch das Klischeeleben zwischen Sportwagen, Playstation und Instagram ist ihm fremd. „Ich bin nach wie vor ein Freund vom Erlebbarem, vom Menschlichen, ich fahre auch lieber mit dem Rad zum Training, bevor ich mich ins Auto setze.“ Was aber nicht heißt, dass er mit großväterlicher Arroganz auf die neue Generation schaut: „Es ist doch normal, dass die anders tickt. Als ich angefangen habe, haben sich die Älteren wahrscheinlich auch gedacht: Was kommt denn da für eine Generation? Das ist der Lauf der Zeit. Jetzt ist eben alles digitaler.“

Alt und Jung, Mitspieler, Offizielle oder Fans, Oliver Fink kommt mit allen klar. Es ist gar nicht so einfach jemanden zu finden, der etwas Schlechtes über ihn sagt. Nein, eigentlich ist es unmöglich. Doch seine aufgeschlossene Art sollte nicht mit Anbiederung verwechselt werden. Er kann durchaus seine Meinung sagen. Zu sportlichen wie gesellschaftlichen Themen. Als die Bundesliga-Teams vor dem Re-Start tagelang in Quarantäne mussten, verließ er das Hotel und war deswegen nicht spielberechtigt, seine Frau hatte kurz zuvor ein Kind bekommen. Fink engagiert sich für benachteiligte Kinder, spricht sich gegen Rassismus aus, und wenn ihn die Straßenzeitung „Fiftyfifty“ für ein Interview anfragt, dann gibt er ihr das. Wann immer die Fortuna in den letzten Jahren ein Gesicht für eine soziale Aktion suchte, fand sich meist Oliver Fink. Auch sonst nimmt er am Leben der Stadt teil, fährt begeistert auf dem Rosenmontagszug mit oder fiebert im Dome mit der DEG mit.

Der Kontakt zu anderen Sportlern war ihm stets wichtig. „Im Fußball kommt das schon mal zu kurz, weil der Fußball so eine exponierte Stellung hat und meint, er sei etwas anders“, sagt er. Dabei könne man sich „so viel abschauen: Trainingsdidaktik, kognitive Sachen“. Da überrascht es nicht, dass Fink bei der Gala zu „Düsseldorfs Sportler des Jahres“ Anfang des Jahres fast wie ein Fan vor Tischtennisstar Timo Boll stand und sich angeregt mit ihm austauschte. „Wir sprechen bei Timo von einem der weltbesten Spieler der letzten Jahre, wer da nicht Respekt vor hat, der hat noch nie selber Sport gemacht.“ Oliver Fink macht das. Seit fast 20 Jahren als Profi. Und er ist noch nicht fertig.