Japan im Freudentaumel: WM-Titel als Seelenbalsam

Frankfurt/Main (dpa) - Die Potsdamer Stürmerin Yuki Nagasato schwenkte die japanische Flagge auf der WM-Ehrenrunde und gönnte sich anschließend „drei Stück Champagner“, Trainer Norio Sasaki freute sich nach dem historischen Titelgewinn erstmal auf ein „gutes deutsches Bier“.

Im dramatischen Finale gegen die USA kannte der Jubel bei Japans Fußball-Frauen keine Grenzen. „Ich weiß gar nicht, ob das Realität oder ein Traum ist. Wir sind total glücklich, jetzt sind wir die Nummer 1 in der Welt“, schwärmte Spielführerin Homare Sawa.

Um 23.40 Uhr am Sonntagabend hatte die 32-Jährige, die zudem als beste Spielerin und beste Torschützin des Turniers geehrt wurde, den WM-Pokal aus den Händen von Steffi Jones entgegengenommen und die ersehnte Trophäe bei goldenem Konfettiregen und Feuerwerk in den Frankfurter Abendhimmel gereckt.

Auf der Tribüne applaudierte Angela Merkel und freute sich an ihrem 57. Geburtstag mit den ersten Weltmeisterinnen aus Asien, die sich nach 120 spannenden Minute erst im Elfmeterschießen (3:1) durchsetzten. „Die Japanerinnen haben unglaublich gute Nerven bewiesen. Das war schon packend“, sagte die Bundeskanzlerin. „Deutschland hat leider gegen den Weltmeister verloren. Aber das ist auch keine Schande. Es stellt sich raus, wir sind auch gute Gastgeber.“

Trost von prominentester Seite gab es für die unglücklichen US-Girls. „Ich bin so stolz auf das Team nach diesem hart gekämpften Match“, twitterte Präsident Barack Obama. Und Basketball-Star Dirk Nowitzki sprach via Twitter von einer „herzzerreißenden Niederlage“: „Sie hatten trotzdem einen unglaublichen Lauf. Glückwunsch an Japan, sie haben trotz der Rückstände nie aufgegeben.“

Obwohl ihr großer Traum vom dritten Titel nach 1991 und 1999 geplatzt war, erwiesen sich die Amerikanerinnen als äußerst faire Verliererinnen. Ohne Groll und Tränen stellte sich Starstürmerin Abby Wambach tapfer den Medien. „Heute Abend bin ich der größte Verlierer - in jeder Hinsicht“, gestand die 31-Jährige, die wie ihre Teamkolleginnen zuvor zahlreiche Großchancen verpasst hatte.

„Manchmal gewinnst du, manchmal verliert du“, sagte die schwedische US-Trainerin Pia Sundhage. „In ein paar Tagen werden wir uns über die Silbermedaillen freuen. Wir haben eine tolle WM gespielt und ein phänomenales Turnier erlebt.“

Selbst Wambachs 2:1-Führungstreffer in der Verlängerung (104. Minute) genügte dem US-Team nicht, weil Sawa drei Minuten vor dem Abpfiff der souveränen Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus noch der Ausgleich gelang (117.). Zuvor hatten Alex Morgan (69.) und Aya Miyama (81.) in dem hochklassigen Endspiel vor 48 817 begeisterten Zuschauern getroffen.

„Wir waren nur Minuten entfernt. Aber wir können niemandem die Schuld geben - wir hatten genügend Chancen“, sagte Wambach, die den nie aufgebenden Gegnerinnen den Erfolg von Herzen gönnte: „Das ganze Land hat so sehr gelitten. Die Menschen dort haben den Erfolg mehr gebraucht als bei uns.“ Auch Torhüterin Hope Solo zeigte trotz ihrer Enttäuschung menschliche Größe: „Japan war die Mannschaft des Turniers. Sie haben mit so viel Leidenschaft gespielt.“

Die japanischen Fußball-Heldinnen ließen die Menschen in ihrer von Tsunami und Erdbebenkatastrophe gebeutelten Heimat - vor allem in der nordöstlichen Region Tohoku - vorübergehend die großen Sorgen vergessen. „Danke, dass ihr an die Gefühle der Menschen in Tohoku gedacht habt. Danke, dass ihr Japan Hoffnung gegeben habt“, twitterte ein Fan.

Überall im Land brach zu früher Stunde (Ortszeit) großer Jubel aus. „Viele in Japan haben auf uns geschaut. Wir möchten uns bei den Menschen zu Hause für die große Unterstützung bedanken, sie haben uns Mut und Kraft gegeben“, betonte Trainer Sasaki, der gern noch einen Tag länger zum Feiern in Deutschland geblieben wäre. Doch schon am Montagmittag traten die Spielerinnen müde und glücklich die Heimreise an. „Sie müssen schon am Wochenende wieder in der Liga spielen“, erklärte der 53 Jahre alte Coach.

Auch in der Stunde des Triumphes vergaß Sasaki nicht, sich für die große Gastfreundschaft zu bedanken. „Es war ein wunderschönes Turnier, das wir hier erlebt haben. Und ich denke, wenn die deutsche Mannschaft nicht so unter Druck gestanden hätte, hätte sie wahrscheinlich auch besser gespielt.“

Stattdessen waren die Titelverteidigerinnen und Trainerin Silvia Neid nach dem bitteren Viertelfinal-Aus gegen die nun frisch gekürten Weltmeisterinnen nur traurige Zaungäste beim Endspiel der Heim-WM. „Kein Kommentar“, sagte Kerstin Garefrekes und blockte Fragen nach ihren Gefühlen auf der Tribüne ab. Bianca Schmidt dagegen gestand: „Da ist natürlich Wehmut dabei, das Herz blutet schon.“

Im Elfmeterschießen entscheiden „Kleinigkeiten über Erfolg oder Misserfolg“, sagte Sundhage, die von der Bank aus zusehen musste, wie Shannon Boxx und Tobin Heath an der großartig reagierenden japanischen Torfrau Ayumi Kaihori scheiterten. Zudem jagte Spielmacherin Carli Lloyd den Ball in den Abendhimmel.

Kaihori gab sich trotz ihrer Heldentaten bescheiden. „Es war ein Erfolg der Mannschaft“, sagte die Torhüterin, die von ihren Mitspielerinnen vor Freude fast erdrückt wurde. Sie habe ja auch Unterstützung vom Gegner bekommen, meinte Kaihori gelassen: „Dass sie die Bälle verschossen haben, war eine große Hilfe.“